Moin

Zu Besuch in Auschwitz: Und am Ende kommen Touristen

Moin heißt die Kolumne der NORDSEE-ZEITUNG. Heute geht‘s um die schlimmste Tragödie der Menschheitsgeschichte. Und die Frage, was die AfD damit zu tun hat.

Meine Termine und meine Erledigungsliste schreibe ich mir ins Handy. Das ploppt immer auf, wenn etwas ansteht. Sehr praktisch. Vor meinem Urlaub war das eine ziemlich lange Liste. Vielleicht hab ich deshalb völlig gedankenlos „Auschwitz buchen“ eingegeben. Als der Handy-Hinweis aufploppte, hab ich einen Schreck gekriegt. Ein makabrer Eintrag. Schließlich sind dort Menschen auf grauenhafteste Art und Weise umgebracht worden. Das Vorbuchen einer Führung aber war nötig. Das Vernichtungslager, in dem die Waffen-SS mehr als 1,3 Millionen Menschen ebenso perfekt organisiert wie eiskalt getötet hat, ist mittlerweile ein Touristen-Hot-Spot. Unablässig schoben sich Schüler- und Reisegruppen die abgelaufenen Treppen in den einstigen Häftlingsbaracken hoch und runter, vorbei an Fotos, Namen, Bergen von Brillen, Schuhen und Haaren, die den Todgeweihten vor der Gaskammer abgenommen wurden. Es gab andere Diktaturen, die mehr Menschen umgebracht haben. Aber nie zuvor und nie danach wurden die Opfer wie Vieh zusammengetrieben, allem beraubt, was sie besaßen, einschließlich ihrer Würde, und systematisch und mitleidslos abgeschlachtet. Ich weiß viel darüber, trotzdem war der leibhaftige Eindruck erschütternd. Jeder, der damit liebäugelt, der AfD seine (Protest-)Stimme zu geben - einer Partei, deren Spitzenkandidat für Europa gerade verkündet hat, dass nicht alle SS-Mitglieder Verbrecher waren - sollte sich das anschauen.

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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