Manchmal muss man sich den Tatsachen stellen: Dieses Gartenjahr auf meinem Balkon ist – sagen wir mal – eine Erfahrung. Nach mehreren erfolgreichen Erntejahren sind meine Tomatenpflanzen auch in diesem Jahr absolut wachstumsfreudig – allerdings nur, was die Blätter angeht. Früchte? Fehlanzeige. Ich habe mit ihnen gesprochen. Freundlich. Dann drohend. Nichts.
Die Gurken dagegen taten zunächst so, als wollten sie den ganzen Balkon übernehmen. Die Pflanze wächst zielstrebig und produziert zwar recht krumme, aber durchaus schmackhafte Exemplare.
Nur noch traurige Stummel
Und dann sind da noch die Mairübchen. Schnellwachsend, robust, unkompliziert. Zuerst lief es wie im Bilderbuch: Die Blätter sprossen. Ich goss, ich lobte und ich träumte schon davon, was ich mit den leckeren Mairübchen alles kochen würde. Dann kam die Nacht. Oder besser gesagt: das große Fressen. Am nächsten Morgen war kein Blatt mehr da, nur noch ein paar traurige Stummel. Als hätte ein gieriges Phantom in der Nacht ein vegetarisches All-you-can-eat-Buffet genossen.
Die Ermittlungen führten rasch zur Hauptverdächtigen: einer fetten Raupe. Ich fand sie, dick und satt, im Topf. Sie blickte mich nicht einmal schuldbewusst an. Nein – das war ein Blick voller Selbstzufriedenheit. So sieht jemand aus, der weiß, dass er gewonnen hat. Ihre Kumpels hatten sich wohl schon davon gemacht.
Ich hätte schreien können. Ich hätte fluchen können. Doch dann kam mir plötzlich ein Gedanke: Diese Raupe wird vielleicht mal ein Schmetterling. Ich konnte dem gefräßigen Tierchen irgendwie doch nicht böse sein. Und wenn demnächst ein wunderschöner Schmetterling meine Tomaten umkreist, dann werde ich ihn vielleicht erkennen. An seinem selbstzufriedenen Flattern...