Cuxland Bauernproteste

Subventionen ja, aber gezielt: Was ein Experte über die Bauernproteste sagt

Die Landwirtschaft steht vor großen Veränderungen. Was an den Bauernprotesten problematisch ist, warum sie trotzdem verständlich sind und wie Bauern und Politiker wieder zueinanderfinden können, sagt der Agrarexperte Thomas Herzfeld im Interview.

Die Macht der Bauern: Mit Trecker-Konvois und Blockaden haben die Bauern in der vergangenen Woche in vielen deutschen Städten den Verkehr lahmgelegt.

Die Macht der Bauern: Mit Trecker-Konvois und Blockaden haben die Bauern in der vergangenen Woche in vielen deutschen Städten den Verkehr lahmgelegt. Foto: Uwe Zucchi/dpa

Herr Professor Herzfeld, sind Sie in dieser Woche auch hinter einem Trecker-Korso hängengeblieben?
Nein. Ich fahre Fahrrad und kam so gut an allen Staus vorbei.

Haben Sie Verständnis für den Protest der Bauern? Ja. In der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge Unmut angestaut. Das hat mit der Politik der Bundesregierung und der EU zu tun. Die Verschärfung der Düngeverordnung, der „Farm to Fork“-Plan der EU, die den Einsatz von Pestiziden und Dünger deutlich zurückschrauben will, die Pläne für Renaturierung und Moorschutz - all das belastet die Betriebe sehr. Zudem setzt die Politik auf immer mehr Markt in der Landwirtschaft, mit der Folge, dass die Preise stark schwanken. Auch das ruft große Verunsicherung hervor.

Aber ist der Protest in diesem Ausmaß gerechtfertigt? Schließlich hat ein Prozent der Bevölkerung eine Woche die Republik ziemlich lahmgelegt… Es ist das gute Recht in einer Demokratie, zu demonstrieren und auch die Protestform zu wählen. Allerdings finde ich die Haltung zumindest der Mehrheit der Bauern, die bei den Protesten in dieser Woche herüberkam, problematisch. Da wird gefordert, dass sämtliche Streichungen zurückgenommen werden müssen, das heißt, man setzt auf Besitzstandswahrung. Aus wirtschaftspolitischer Sicht macht nämlich die Streichung von Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung durchaus Sinn.

Warum? Beides wurde mal eingeführt, um die Motorisierung der Landwirtschaft zu fördern und sie wettbewerbsfähiger zu machen. Beide Ziele sind aber lange erreicht. Aus wissenschaftlicher Sicht müsste man diese Instrumente dann abschaffen.

Die Bauern behaupten das Gegenteil. Sie sagen, eine Streichung schwächt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Denn in anderen EU-Ländern würden die Landwirte ähnlich gefördert…. Das stimmt nur zum Teil. Es gibt EU-Staaten, die haben noch höhere Diesel-Förderungen und Steuerbefreiungen, und es gibt EU-Staaten, die haben gar keine Förderung. Deutschland würde mit einer Streichung also keine Sonderrolle einnehmen.

Nun sagen viele Beobachter und auch die Bauern, dass es bei den Protesten nicht nur um den Diesel geht. Worum geht es denn dann? Die Bauern stehen durch die Veränderungsprozesse enorm unter Druck. Aus meiner Sicht brauchen wir da eine Auseinandersetzung, die viel ehrlicher ist als bislang. Die Gesellschaft muss sagen, was sie von der Landwirtschaft möchte - zum Beispiel mehr Tierwohl, mehr Arten- und Naturschutz oder die Verringerung von Treibhausgasen - und was sie für diese Umsetzung dieser Ziele bereit ist zu zahlen. Die Bauern benötigen langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen, um investieren zu können. Sie planen auf ihren Betrieben für die nächsten 20 oder 30 Jahre.

Bislang bekommen sie diese Rahmenbedingungen ja überhaupt nicht. Bestes Beispiel: der Umgang mit der Borchert-Kommission. Diese Expertenrunde, die die Regierung Merkel nach den letzten großen Bauernprotesten 2019 eingesetzt hat, hat Vorschläge erarbeitet, wie mehr Tierschutz und landwirtschaftliche Existenzsicherung vereinbart werden können. Aber passiert ist seither nichts… Leider nicht. Das Budget, das für die Initiative Tierwohl bereitgestellt wurde, ist mit einer Milliarde Euro viel zu klein. Die Vorschläge sind eine Grundlage, mit der man arbeiten muss, die Zukunftskommission Landwirtschaft hat weitere gemacht. Klar ist: Wir brauchen für die Veränderung der Landwirtschaft eine Strategie, die nicht nur bis zur nächsten Bundestagswahl hält. Die Investitionszyklen auf den Höfen sind lang.

Wie kann eine tragfähige Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Das Prinzip, Subventionen zu geben, ist nicht per se schlecht. Sie müssen nur gezielt für Leistungen ausgegeben werden, die sich die Gesellschaft von den Landwirten wünscht und die nicht über den Markt entlohnt werden. Das heißt, wenn Landwirte ihren Beitrag zu Tierwohl, Natur-, Arten- oder Klimaschutz leisten, sollte das auch mit Geld honoriert werden. Am besten auf der Grundlage langfristiger Verträge. Das könnte ein Baustein für eine Landwirtschaft von morgen sein.

Bislang sind die Direktzahlungen der EU - die mit Abstand größten Subventionen für die Landwirtschaft - immer noch an die Fläche gekoppelt. Das heißt, der größte Bauer bekommt auch am meisten… Ja. Das muss sich dringend ändern. Unabhängig von den derzeitigen Protesten werden wir dieses Prinzip nicht mehr lange aufrechterhalten können. Wenn die Ukraine wie geplant 2030 in die EU eintritt, ist die derzeitige EU-Agrarpolitik meiner Ansicht an ihrem Ende angelangt. Dann ist das nicht mehr zu finanzieren. Von daher ist es sinnvoll, sich jetzt an ein Zukunftskonzept für die Landwirtschaft zu machen, auf das sich die Bauern einstellen können.

Professor Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle (IAMO).

Professor Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien in Halle (IAMO). Foto: Markus Scholz

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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