Schiffdorf

Nach Werbeaktion: Schiffdorf hat alle Erzieher-Stellen besetzt

Es war ein ungewöhnlicher Hilfeschrei. Mit großen Plakaten und einer professionellen Werbeaktion hat Schiffdorf Anfang des Jahres um angehende Erzieher geworben. Jetzt verrät der Bürgermeister, was die Aktion gebracht hat.

Große Plakate, die die Straßen der Gemeinde säumten, waren Anfang des Jahres Teil der ungewöhnlichen Werbeaktion der Schiffdorfer, um mehr Erzieherinnen zu gewinnen.

Große Plakate, die die Straßen der Gemeinde säumten, waren Anfang des Jahres Teil der ungewöhnlichen Werbeaktion der Schiffdorfer, um mehr Erzieherinnen zu gewinnen. Foto: Hansen

Schiffdorf steht unter Druck. In der Stadtrandgemeinde wurde in den vergangenen Jahren viel gebaut, viele junge Familien sind nach Schiffdorf gezogen, die Nachfrage nach Kita-Plätzen ist groß. Die Gemeinde ist jetzt dabei, möglichst schnell neue Kitas zu bauen. In Spaden wird im August eine dritte Kita eröffnet, in Wehdel hat man mit dem Bau begonnen, in Sellstedt wird geplant, in Schiffdorf sind sogar zwei neue Kitas vorgesehen.

Doch der Gemeinde fehlten nicht nur Kita-Plätze, es fehlte vor allem an Erzieherinnen, die die Kinder betreuen. Die Personalnot machte sich in erster Linie in den Horten bemerkbar, der Nachmittagsbetreuung für Grundschüler. Im vergangenen Winter entschloss sich die Gemeinde zum Befreiungsschlag. Sie kündigte an, den angehenden Erziehern, die während ihrer Ausbildung kein Geld verdienen, künftig 100 Euro pro Woche für die Zeit ihrer Berufspraktika zu zahlen, wenn sie das Praktikum in einer der Kitas in der Gemeinde absolvieren.

Damit das möglichst viele mitbekommen, bewarb die Gemeinde das mit einer professionell konzipierten Werbekampagne. Jetzt präsentierte der Bürgermeister das Ergebnis. Danach wurden 2022 insgesamt 17 Praktikanten ausgebildet, in diesem Jahr sind es bereits jetzt, zur Hälfte des Jahres, 23.

Wärner: Wir haben viele Bewerbungen bekommen

„Ein Erfolg“, findet Bürgermeister Henrik Wärner (CDU). Aber nicht nur bei den Praktikanten. Anfang des Jahres waren 13 der 101 Vollzeit-Stellen in Krippen und Kindergärten nicht besetzt, heute sind sämtliche Stellen besetzt. „Wir haben tatsächlich sehr viele Bewerbungen bekommen“, freut sich Schiffdorfs Verwaltungschef. Dabei habe sicher auch die Werbeaktion geholfen.

Schiffdorf ist nicht die einzige Gemeinde, die damit angefangen hat, angehende Erzieher mit Geld zu locken. Kein Wunder: Erzieherinnen werden einerseits händeringend gesucht, andererseits leidet der Beruf, der immer ein klassischer Frauenberuf war, an chronischer Unterfinanzierung. Wer in Niedersachsen Erzieherin werden will, muss vier Jahre lang an der Berufsschule pauken, zwischendrin Praktika absolvieren - und bekommt dafür keinen einzigen Cent.

In Geestland gibt es ein Stipendium für Sozialassistenten, die sich verpflichtet haben, nach der Ausbildung in der Stadt zu bleiben. Loxstedt, Beverstedt und Hagen haben Mittel aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ genutzt, um angehende Erzieherinnen zu entlohnen. In der Gemeinde Wurster Nordseeküste will man die Sozialassistenten jetzt während der Ausbildung wie Verwaltungs-Azubis entlohnen.

Bremerhavens Schuldezernent nennt Werbeaktion fragwürdig

Eine Werbeaktion wie Schiffdorf hat aber niemand gestartet. Damit handelte sich die Stadtrandgemeinde auch gleich Kritik vom großen Nachbarn Bremerhaven ein, der um die Besetzung der Erzieher-Stellen ringt. Die Zentralelternvertretung der Kitas sowie die CDU warfen Schiffdorf vor, sich die teure Ausbildung zu sparen und fertig ausgebildete Erzieherinnen abzuwerben.

Auch Schuldezernent Michael Frost ist nicht gerade begeistert von der Aktion, wie er auf NZ-Nachfrage bestätigt. „Ich finde eine solche Kampagne fragwürdig, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Landkreis nicht ausreichend ausbildet.“ Damit spricht Bremerhavens Dezernent einen wunden Punkt an: An den Berufsbildenden Schulen in Schiffdorf gab es im vergangenen Jahr nur eine einzige Erzieherklasse. Auch fürs kommende Schuljahr war nur eine Klasse geplant.

Inga Hansen

Reporterin

Inga Hansen, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1993 als Redakteurin in der Landkreis-Redaktion der NZ. Zuvor hat die gebürtige Ratzeburgerin in Hamburg Politikwissenschaft und Öffentliches Recht studiert. Ihr Interesse gilt neben der Politik Pop-Musik, Literatur und Filmen.

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