Wer den Politik-Betrieb länger kennt, wird sich in diesem Sommer gewundert haben. Da tritt der langjährige CDU-Bundespolitiker und starke Mann der Cuxland-CDU, Enak Ferlemann, überraschend ab - und es passiert nichts. In früheren Zeiten wären nach dem ersten Schock in der Partei die Spekulationen ins Kraut geschossen, wer die Nachfolge antreten könnte. Es hätten sich Bewerber in Stellung gebracht und um Unterstützung in den eigenen Reihen geworben. Diesmal blieb es still. Wochenlang. Sicher, inzwischen gibt es zwei Bewerber. Und in der CDU begründet man das wochenlange Schweigen mit dem innerparteilichen Zoff im Nachbar-Wahlkreis Stade/Rotenburg. Dort buhlen fünf Bewerber um das Bundestagsmandat, ein solches Kandidaten-Gerangel habe die Partei um jeden Preis vermeiden wollen, heißt es.
Doch ich glaube, das ist nicht die einzige Erklärung. Die Kreis-CDU hat ohne Frage gute Nachwuchs-Leute. Aber die meisten haben abgewunken. Offenbar passte es nicht in die Lebensplanung. Heute ist es eben nicht mehr nur der Beruf, der dem entgegensteht, da ist auch die Familie, die eine ganz andere Rolle spielt. Die jungen Väter von heute - es waren fast ausschließlich Männer, die als Kandidaten gehandelt wurden - wollen das Aufwachsen ihrer Kinder mitbekommen. Auch die Partnerinnen erwarten, dass man(n) sich zu Hause einbringt. Das ist alles schwer zu machen, wenn man das halbe Leben in Berlin verbringt.
Noch etwas dürfte eine Rolle spielen. Früher sei es etwas Tolles gewesen, Politiker in Berlin zu werden, erzählt einer der potenziellen Bewerber. Heute dagegen mache man sich damit bei der Hälfte der Bevölkerung zum Hassobjekt. Das sei nun mal keine Motivation, um sich um das Ticket für Berlin zu bewerben.