Ich gehöre zu der Generation, die mit dem Holocaust groß geworden ist. Das mag seltsam klingen. Schließlich bin ich erst 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf die Welt gekommen. Aber es gab eben lange Jahrzehnte des Schweigens über die unfassbaren Verbrechen der Deutschen. Erst Ende der 70er Jahre, mit der amerikanischen Fernsehserie Holocaust, mit der Hollywood den Leidensweg der jüdischen Arztfamilie Weiss seriengerecht aufbereitet hat, wurde die Judenvernichtung ein Thema in der Gesellschaft. Mich hat die Serie als 15-Jährige umgehauen. Und viele andere auch. In der Folge war es, als hätten sich in Deutschland alle Schleusen geöffnet. In den 80ern jagte eine Fernsehdoku die nächste, die Debatten über Schuld und Sühne begannen, Anfang der 90er kamen die Verbrechen der Wehrmacht ans Tageslicht. Meine Generation ist wirklich mit dem Leid, dass unsere Eltern bzw. Großeltern über Europa gebracht haben, aufgewachsen. Von daher finde ich es unvorstellbar, dass laut einer Studie heute 40 Prozent der jungen Leute nicht mehr wissen, dass in der Nazi-Zeit 6 Millionen Juden ermordet wurden. Wird das heute nicht mehr in der Schule gelehrt? Ist das wirklich kein Thema mehr? Ein Bekannter klagte am Montag, dem 80. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, dass sein 16-jähriger Sohn, ein Gymnasiast, keine Ahnung hatte, dass es der 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz ist. Seine Lehrer hatten es nicht für nötig befunden, an diesem Tag ein Wort darüber zu verlieren. Erschreckend, oder? Gerade in diesen Zeiten. Kein Wunder, dass die AfD bei den jungen Leuten so viele Punkte macht.
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