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Von Schlick-Olympiade bis Wattoase: Sechs kuriose Geschichten rund ums Wattenmeer

Zweimal in 24 Stunden fällt es trocken und gibt den Meeresgrund zum Gucken, Staunen und für lange Spaziergänge frei: das Wattenmeer. Abseits klassischer Wanderungen haben wir nach den skurrilsten Aktivitäten im Wurster und Cuxhavener Watt gesucht.

Natürlich, ruhig und manchmal auch "schräg": das Wattenmeer bei Ebbe.

Natürlich, ruhig und manchmal auch "schräg": das Wattenmeer bei Ebbe. Foto: Leuschner

Das Niedersächsische Wattenmeer ist mit 3.450 Quadratkilometern fast anderthalb Mal so groß wie der Landkreis Cuxhaven. Der nach dem Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer zweitgrößte Nationalpark Deutschlands ist ein faszinierender Lebensraum. Mehr als 10.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten wurden hier bisher gefunden. Um den Einheimischen und Touristen den Lebensraum näherzubringen, gab und gibt es immer wieder auch ungewöhnliche und kuriose Aktivitäten auf dem Meeresgrund.

Zwischen Cuxhaven und Neuwerk: Hunger stillen in der „Wattoase“

Mit einer Oase rechnet man damit eher in der Wüste. Doch auch das Watt kann sich an heißen Tag fast wie eine Wüste anfühlen. Vor gut 20 Jahren rief Familie Griebel, Betreiber des „Nige Hus“ auf Neuwerk, das Wattbuffet „Wattoase“ ins Leben. Zunächst baute Christian Griebel die „Wattoase“ samt eigens dafür konstruierten Toilettenwagen regelmäßig auf halber Strecke zwischen Cuxhaven-Sahlenburg und der Insel Neuwerk auf, kredenzte Kaffee, Sekt und ein Buffet für die Wanderer. Aktuell gibt es die „Wattoase“ nur, wenn sie von Gruppen vorab gebucht wird. Aus zwei Gründen, wie die Familie erklärt: Personalmangel und weil die Zahl der Wattwanderer zurückgegangen sei. Dass Meeresluft hungrig macht, hat sich auch an der Wurster Küste herumgesprochen. 2018 und 2019 luden Kurverwaltung und das Nationalpark-Haus Wurster Nordseeküste anlässlich des Wattenmeer-Welterbe-Geburtstags zu einer Wattführung samt Frühstück an der Wattkante ein.

Ob - wie hier - an der Wattkante in Dorum-Neufeld oder direkt im Watt zwischen Cuxhaven und Neuwerk: Das Essen schmeckt im Weltnaturerbe nochmal so gut.

Ob - wie hier - an der Wattkante in Dorum-Neufeld oder direkt im Watt zwischen Cuxhaven und Neuwerk: Das Essen schmeckt im Weltnaturerbe nochmal so gut. Foto: Thomas Krey

100 Männer im Watt nach dem Abbild ihres Schöpfers

26 Jahre ist es her, dass Hunderttausende Menschen ins Watt vor Cuxhaven pilgerten. Ihr Ziel war „Another Place“ - eine Kunstinstallation des britischen Künstlers Antony Gormley. Auf einer Wattfläche von 1,75 Quadratkilometern im Abstand von 50 bis 250 Metern entlang des Flutsaums und einen Kilometer in Richtung Horizont hatte der Künstler 100 mannsgroße und rund 700 Kilogramm schwere, in Eisen gegossene Körperfiguren, für die er selbst Modell gestanden hatte, installiert. Je nach Ebbe und Flut standen die Figuren teilweise im Wasser oder konnten zu Fuß erreicht werden. Im Rahmen des Kunstprojektes in Cuxhaven sollten die Figuren Cuxhaven als ehemaligen Ort der Auswanderung in die USA thematisieren. Dem Künstler ging es bei seinen „100 Männern im Watt“ ganz besonders um das Verhältnis Mensch und Natur, Einsamkeit und gedrängtes Zusammensein.

Die Installation „Another Place“ des Londoner Künstlers Antony Gormley zog 1997 Tausende Schaulustige ins Watt vor Cuxhaven. Die männlichen Körper wurden jeweils nach Gormleys Abbild aus Eisen gegossen.

Die Installation „Another Place“ des Londoner Künstlers Antony Gormley zog 1997 Tausende Schaulustige ins Watt vor Cuxhaven. Die männlichen Körper wurden jeweils nach Gormleys Abbild aus Eisen gegossen. Foto: Ingo_Wagner

Yoga auf Augenhöhe mit Wattwurm und Schlickkrebs

„Namasté.“ Gleich mehrfach hat Marthe Neumann in diesem Sommer Frauen und Männer mit dem Yoga-Gruß im Watt vor Dorum-Neufeld begrüßt. Das Ufer ist rund 300 Meter entfernt. Als Unterlagen auf dem leicht schlickigen Untergrund kommen Yogamatten zum Einsatz. Neumann ist Diplom-Biologin und arbeitet als zertifizierte Wattführerin im Nationalpark-Haus Wurster Nordseeküste. Die 43-Jährige praktiziert seit mehr als zehn Jahren Yoga. Weil sie keine ausgebildete Yoga-Lehrerin ist, hat sie sich für ihr Wattyoga-Konzept Rat bei einer Expertin geholt. Das Angebot der Nationalpark-Verwaltung wendet sich bewusst nicht nur an Menschen mit Yoga-Erfahrung, sondern auch an solche, für die Yoga eine neue Erfahrung ist. Die Kombination aus sportlicher Aktivität und einem besonderen Naturerlebnis inklusive Mini-Wattwanderung kommt an bei den Gästen. So gut, dass Nationalpark-Haus-Leiter Dr. Matthias Mertzen das Angebot auch im kommenden Sommer ins Programm aufnehmen möchte.

Yoga im Watt vor Dorum-Neufeld

Kombiniert Natur und Entspannung: Yoga auf dem Meeresgrund vor Dorum-Neufeld. Foto: Philipp Overschmidt

Diesellok tuckert mit Loren durch Salzwiesen und Watt

Wer vom außendeichs gelegenen Campingplatz in Spieka-Neufeld entlang der Küste Richtung Norden spaziert, stößt nach etwa einer halben Stunde auf grasbewachsene Gleise - inmitten der Salzwiesen zwischen Watt und Sommerdeich. Die Gleise führen nicht nur durch die Salzwiesen, sondern vor allem durchs Watt - acht Kilometer vom Betriebshof in Cuxhaven-Arensch bis kurz vor das Außentief in Spieka-Neufeld, immer parallel zur Lahnung, wie die Uferschutzanlage heißt. Die kleine Lorenbahn samt Diesellok, Baujahr 1962, die hier entlangtuckert, transportiert keine Eisenbahnfans, sondern Geräte und Materialien, die für Bau und Unterhaltung der Lahnung gebraucht werden. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz setzt die Bahn vor allem deshalb ein, um keine Umweltschäden zu verursachen. Würden Trecker und Anhänger den Transport der Baumaterialien übernehmen, würden sie tiefe Furchen in den weichen Boden graben.

Schlick-Olympiade mit Gummistiefel-Weitwurf und Wattgeist-Bau

Leichtathletik, Kunstturnen, Turmspringen - mit den Disziplinen Olympischer Spiele ließe sich auf dem weichen Untergrund des Wattenmeeres sicher keine Medaille holen. Auf dem Meeresgrund haben diejenigen die Nase vorn, denen es nicht um Edelmetall, sondern um Spaß geht. Wer aufs Siegertreppchen will, muss sich anstrengen - und technische Tricks kennen. Beim Schubkarren-Rennen etwa, wo man selbst zur Schubkarre wird. Oder beim Blindekuh-Spielen. Immer mit dabei auch der Gummistiefelweitwurf, bei dem gern mal die eine oder andere Handvoll Watt hinterherfliegt. Um Kreativität statt Technik geht es bei der Disziplin Wattgeist-Bau. Die pfiffigsten verwandeln sich selbst in ein Schlickgespenst. Sauber bleiben ist ohnehin keine Option. Jahrelang gehörte die Schlick-Olympiade im Ferienspaß-Kalender an der Wurster Küste zu den Highlights bei Kindern. Aktuell gibt es den Wettbewerb nicht, aber vielleicht lebt der Spaß ja eines Tages wieder auf.

Schlick-Olympiade im Watt vor Wremen

Die Schlick-Olympiade - hier mit Annabel Trautwein als Wattgeist - war viele Jahre lang ein fester Bestandteil des Ferienspaßes an der Wurster Küste. Foto: ls

Skurrile Traditionsveranstaltung: Duhner Wattrennen

Was wären kuriose Attraktionen im Watt ohne das Duhner Wattrennen, das Jahr für Jahr zu den Höhepunkten im Nordseeheilbad Cuxhaven gehört und regelmäßig eine fünfstellige Besucherzahl anlockt. Seit 1902 wird das weltweit bekannte „Pferderennen auf dem Meeresgrund“ im Wattenmeer vor dem Cuxhavener Kurteil Duhnen ausgetragen. Es zählt international zu den skurrilsten Traditionsveranstaltungen. Am Veranstaltungstag kämpfen alle 30 Minuten Traber und Galopper im Watt um Sieg, Ehre und Preisgelder. Bei insgesamt zwölf Rennen auf dem rund 1,2 Kilometer langen Rundkurs im Wattenmeer können die Zuschauer immer wieder aufs richtige Pferd setzen und mit kleinen Einsätzen vielleicht den großen Gewinn abräumen. Der Termin für 2024 steht bereits fest: Am Sonntag, 14. Juli, um 10.30 Uhr startet das erste Rennen.

Duhner Wattrennen

Das Duhner Wattrennen lockt Jahr für Jahr einmal im Sommer Tier und Mensch an den Cuxhavener Strand.

Heike Leuschner

Reporterin

Heike Leuschner hat sich nach einem Jura-Studium für die journalistische Laufbahn entschieden. Seit 2010 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion der NORDSEE-ZEITUNG beschäftigt. Privat sieht man sie oft mit Kamera – oder gar nicht. Dann ist sie auf Reisen.

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