Bremerhaven

Von den Bürgern für die Bürger: So fließt das Geld in Bremerhaven

Über Geld sollte man sprechen: Vor allem, wenn es um den Haushalt der Stadt Bremerhaven geht. Inzwischen werden fast 900 Millionen Euro jedes Jahr bewegt. Geld, das von den Bürgern stammt und für die Bürger ausgegeben wird.

Geld, Geld, Geld

Bremerhaven bewegt in ihrem Haushalt mittlerweile jedes Jahr fast 900 Millionen Euro. Und die Aufgaben in der Seestadt sind vielfältig. Foto: Lothar Scheschonka

Der Haushaltsplan ist das wichtigste Zahlenwerk der Stadt. Dort steht drin, woher die mehr als 880 Millionen Euro kommen, die die Stadt zur Verfügung hat, und wofür sie ausgegeben werden. Da es sich um Steuergeld handelt, sind zwei Fragen besonders wichtig: Wird damit sorgsam umgegangen, und wird es auch für die richtigen Dinge ausgegeben?

Welcher Bereich wie viel bekommt, entscheidet das Stadtparlament zusammen mit den Ämtern im Magistrat. Kämmerer Torsten Neuhoff (CDU) und Manuel Emmerlich, der die Kämmerei leitet, beugen ihre Köpfe über ein Diagramm. Anhand der „Tortenstücke“ zeigen sie, wofür die größten Batzen eingesetzt werden. Rund 40 Prozent des Haushaltes sind etwa nur fürs Personal. Dazu kommen ungefähr 20 Prozent für Sozialleistungen. „Zusammen machen diese beiden Positionen rund zwei Drittel des Haushaltes aus“, erklärt Neuhoff. Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches.

Neuhoff und Emmerlich

Rund zwei Drittel des Bremerhavener Haushalts sind für Personal und Sozialleistungen, sagen Bürgermeister Torsten Neuhoff und Amtsleiter Manuel Emmerlich (rechts). Foto: Lothar Scheschonka

Das Personal und die Sozialleistungen sind praktisch bei allen Städten in Deutschland die größten Positionen. An den Sozialleistungen lässt sich auch nicht so viel ändern: In Bremerhaven leben nun einmal besonders viele ärmere Menschen, die ein Recht auf Sozialhilfe und Unterkunftskosten haben. Dennoch: Für manches scheint Bremerhaven mehr Geld als andere Städte auszugeben. Die Stadt bezahlt - umgerechnet auf die Einwohnerzahl - vergleichsweise viel Geld für Personal in bestimmten sozialen Bereichen. Zugleich ist die wichtige Investitionsquote geringer. Während sie bundesweit bei rund 10 Prozent in den Kommunen liegt, liegt sie in Bremerhaven nur bei 7 bis 8 Prozent der Haushaltssumme.

Verwaltungen wachsen personell immer weiter

Jemand, der immer wieder genau hinschaut, wofür in der Stadt das Geld ausgegeben wird, ist Jan Vermöhlen vom Bund der Steuerzahler. Der Volkswirt stimmt zu, dass die Personalkosten bei Kommunen den größten Block ausmachen. Tendenz steigend. Das liegt laut Vermöhlen allerdings nicht nur an den neuen Aufgaben, die etwa im Kita-Bereich geschultert werden müssen. Manchmal komme es auch daher, dass das Personal nicht effizient eingesetzt werde. Die Kommunen müssten im Sinne der Steuerzahler bereit sein, die Digitalisierung auszunutzen. Außerdem fehle oft die Bereitschaft, in der Verwaltung bestehendem Personal andere und neue Aufgaben zu geben - im Zweifel werde dann trotz Fachkräftemangels eine neue Stelle geschaffen.

Endgültiger Haushalt 2022 und Ansätze für den Haushalt 2023

Legende: große Zahlen = Haushalt IST 2022, Zahlen in Klammern = Ansätze für den Haushalt 2023

Quelle: Vermessungs- und Katasteramt

Wie stark gilt diese Einschätzung auch für Bremerhaven? Kämmerer Neuhoff will dazu nichts direkt sagen - ihm stehe es nicht zu, die anderen Teile des Magistrats zu bewerten. Mit der Kämmerei will er lieber als Vorbild vorangehen. Sie stellt bis 2030 das Haushaltssystem von der überholten sogenannten Kameralistik auf die stärker an der Betriebswirtschaft orientierten Doppik um - eine Mammutaufgabe. „Das machen wir mit dem bestehenden Personal, das bereit ist, sich auf Neues einzulassen“, erklärt Neuhoff. Die Umstellung auf die Doppik, die unter anderem für mehr Transparenz im Haushalt sorgen wird, wird auch vom Bund der Steuerzahler begrüßt.

Investitionen auf den Prüfstand stellen

Vermöhlen vom Bund der Steuerzahler rät zudem Kommunen darum, die geplanten Investitionen angesichts der davongaloppierenden Baukosten auf den Prüfstand zu stellen und die dafür in den Haushalt eingestellten Ansätze der Wirklichkeit anzupassen.

Kämmerer Neuhoff kann das nachvollziehen: Auch die Kämmerei schaue derzeit genau hin. Doch manches sei eben nicht verhandelbar. In Bremerhaven seien zum Beispiel die Schul- und Polizeineubauten notwendig. In anderen Fällen, wie etwa der Sanierung der alten Jugendherberge, habe man schon die Reißleine gezogen, so Neuhoff. Beim Stadthallenneubau müsste man auch genau überlegen, was künftig noch möglich sei.

Vermöhlen sieht noch eine Gefahr für den sorgsamen Umgang mit Steuergeldern: Die vielen Förderprogramme. Das könne dazu führen, dass Städte zugriffen, ohne zu schauen, ob das Geförderte für die Bürger auch das Sinnvollste ist. Neuhoff räumt ein, dass man da manchmal genau schauen müsste. Grundsätzlich seien die Förderprogramme aber sehr wichtig. Die Sanierung des Nordseestadions wäre zum Beispiel ohne Förderung des Bundes undenkbar gewesen.

Die Sparkultur in den Ämtern könnte ausgeprägter sein

Grundsätzlich sind die Kommunen eher unterfinanziert. Nicht nur, weil Bund und Länder sich immer wieder neue „Wahlgeschenke“ etwa im Schul- und Kitabereich überlegen, die meist die Kommunen ausbaden dürfen. Vor allem bei der Infrastruktur fühlen sich Städte und Gemeinden im Stich gelassen - sie sind meist kaum in der Lage, alle Schulen, Straßen, Brücken und - in Bremerhaven - Kajen instand zu halten. Gerade in diesem Bereich wünschen sie sich schon lange ein großes Hilfspaket. Dass Bremerhaven verantwortungsvoll mit Geld umgehen kann, zeigte etwa der Corona-Fonds. Die Stadt hat davon auch tgatsächlich nur die vorgesehenen 70 Millionen Euro genutzt. Die Stadt Bremen hingegen gab 600 Millionen Euro aus, obwohl nur 300 Millionen vorgesehen waren - und das für Projekte, die nur sehr entfernt etwas mit Corona zu tun hatten.

Von einer ausgeprägten Sparkultur kann laut Insider-Informationen im Magistrat außerhalb der Kämmerei nicht die Rede sein. In vielen Ämtern herrsche offenbar eine andere Kultur. Besitzstände finanzieller und personeller Art sollen bis aufs Letzte verteidigt werden, Hinweise, wie in den Ämtern gespart werden könne, verhallten wirkungslos. Auch wenn vielerorts im Magistrat offenbar gute Arbeit gleistet wird - und das sollte auch unabhängig von den Finanzen an erster Stelle stehen - der Sinn fürs Sparen und die Kostenkontrolle scheint in den Bremerhavener Ämtern noch mehr als ausbaufähig zu sein, ist aus gut informierten Kreisen zu erfahren.

Gewerbesteuer ist wichtige Einnahmequelle

Bleibt noch die Frage, woher das Geld im städtischen Haushalt kommt - und die ist relativ einfach zu beanworten: Von uns, den Bürgern, und insbesondere von den Unternehmern. Die wichtigste Einnahmequelle ist für Städte in der Regel die Gewerbesteuer, dazu kommt noch die Grundsteuer. Außerdem erhalten Kommunen bundesweit von der jeweiligen Landesregierung Schlüsselzuweisungen, zum Beispiel eine Beteiligung an der Einkommenssteuer. Bremerhaven hat zusätzlich ein paar Besonderheiten. Nur in Bremerhaven stehen Polizisten und Lehrer auf der Gehaltsliste der Stadt. Das Geld dafür zahlt allerdings das Land noch einmal zusätzlich in den städtischen Haushalt ein. Wenn man diese Einkommensquellen summiert, standen im Jahr 2022 unterm Strich Einnahmen von knapp 880 Millionen Euro. Bundesweit beklagen Kommunen dabei die starke Abhängigkeit von der Gewerbesteuer - denn sie kann sehr wechselhaft ausfallen, je nachdem, ob die wichtigsten Wirtschaftsbetriebe gute oder schlechte Jahre hatten.

Haushaltsausgaben und ihre Entwicklung

Quelle: Magistrat Bremerhaven

Jens Gehrke

Reporter

Jens Gehrke wurde in Bremerhaven geboren und ist seit 2011 im Verlag. Der Reporter, Jahrgang 1984,  fühlt sich im Cuxland genauso zu Hause wie in der Seestadt. Der Schwerpunkt liegt auf der Politik-Berichterstattung. Privat interessiert ihn vor allem der Sport.

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