Als die Dunkelheit hereingebrochen war und sich der Turnierplatz mit rund 10.000 Besuchern gefüllt hatte, wurde im vergangenen Jahr die Mauer für das Mächtigkeitsspringen bei den Elmloher Reitertagen in der Mitte des Hauptspringplatzes aufgebaut. 13 Reiter stellten sich an jenem Samstagabend der Herausforderung, die jedes Jahr ein Zuschauermagnet ist. Vor allem vor gut einem halben Jahr, nachdem in den vergangenen zwei Jahren das SB-Springen coronabedingt ausgefallen war. Doch 2022 flogen Reiter und Pferd wieder über die Mauer, die mit dem ersten Stechen von Runde zu Runde erhöht wurde. Es war das letzte Mal.

Das Mächtigkeitsspringen am Samstagabend vor der Turnierparty war stets ein Zuschauermagnet. Foto: W. Scheer
Der Beirat Sport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) hat die Spezialspringprüfungen für 2024 aus dem Programm gestrichen. Die Elmloher Turnierleitung hat sich jedoch dazu entschieden, bereits in diesem Jahr bei der 72. Auflage vom 27. bis 30. Juli auf das Mächtigkeitsspringen zu verzichten. „Es gibt einfach nicht mehr genug Reiter und Pferde dafür“, sagt Spring-Turnierchef Hartmut Cordes, denn nicht jedes Pferd hat den Mut, das Hindernis zu überspringen und es erfordert neben dem Talent somit auch das nötige Vertrauen zwischen Pferd und Reiter. „Nichts ist für die Ewigkeit.“
Tierwohl statt spektakuläre Höhen
So meisterten fünf Springreiter und ihre Pferde im vergangenen Jahr im zweiten Stechen die 1,90 Meter. Anschließend wurde die Mauer auf die magische Höhe von zwei Metern erhöht. Die Zuschauer warteten ungeduldig auf den ersten Ritt - doch die Reiter entschieden sich zum Tierwohl gegen die dritte Runde und teilten sich stattdessen den Sieg und das Preisgeld. Ein plötzliches Ende des Höhepunktes, das dazu führte, dass die Zuschauer teils etwas enttäuscht den Heimweg antraten. Andere wiederum wendeten sich früher als geplant dem Tresen bei der Turnierparty zu.

Am Ende ist die Mauer höher als das Pferd. Drüber hinwegschauen ist nicht mehr. Foto: Lothar Scheschonka
So blieb der Rekord in Elmlohe von übersprungenen 2,25 Metern bestehen, die einst Franke Sloothaak mit Optiebeurs Leonardo überwand - und der nun wohl für immer in die Geschichtsbücher eingeht.

Das Mächtigkeitsspringen am Samstagabend vor der Turnierparty war stets ein Zuschauermagnet. Foto: W. Scheer
Weltrekord
Den Weltrekord im Mächtigkeitsspringen hält ein Vollblüter. Der Hengst Huaso hat im Jahr 1949 in Santiago (Chile) bis heute unerreichte 2,47 Meter mit seinem Reiter Captain Alberton Larraguibel übersprungen.Rekordsieger bleibt der legendäre Gerd Wiltfang. Der Olympiasieger von 1972 und Weltmeister von 1978 war nicht nur der uneingeschränkte Herrscher im Großen Preis von Elmlohe, wo er zwölfmal triumphierte. Er feierte auch ganze neun Erfolge im Mächtigkeitsspringen bei den Elmloher Reitertagen - die zuletzt neben Dobrock die letzte Dynastie im Norden in Sachen SB-Springen waren.
Neues Springen nicht weniger interessant und spektakulär
„Es wird für die Besucher aber nicht weniger interessant und nicht weniger spektakulär werden“, verspricht Hartmut Cordes weiterhin ein Samstagabend-Programm. „Es wird einen adäquaten Ersatz geben. Ein S-Springen, bei dem Fehlerpunkte in Zeit umgerechnet werden. Man darf schnell reiten, aber nicht hoch“, so der Turnierleiter augenzwinkernd. „Auch die Mauer wird dabei sein, halt nur nicht so hoch wie im Mächtigkeitsspringen, sondern einem normalen S-Parcours.“

Zimmermann Dietrich Brünjes aus Alfstedt hat 2019 nach dem Feuer auf dem Turnierplatz eine neue Mauer gebaut. Foto: M. Scheer
Schließlich wurde diese erst 2019 in stundenlanger Handarbeit ehrenamtlich wiederhergestellt. Dietrich Brünjes aus Alfstedt war der Retter in der Not, nachdem im Februar ein Feuer auf dem Gelände des Turnierplatzes ein Stück Elmloher Geschichte hatte in Flammen aufgehen lassen. Eine neue Mauer wäre nicht finanzierbar gewesen. Zimmermann Brünjes machte sich ran und stellte die 120 Einzelteile der Mauer her - beziehungsweise 80. Denn 40 davon hatte er bereits zum Renovieren bei sich zu Hause. Nur die Materialkosten in Höhe von 1.700 Euro musste das Kuratorium zahlen, seine rund 100 Arbeitsstunden waren ehrenamtlich. Daher wird die Mauer auch in der Zukunft in Ehren gehalten.
Standpunkt
Es ist eine Ära, die zu Ende geht. Die Elmloher Reitertage ohne Mächtigkeitsspringen - eigentlich nicht vorstellbar. Eine Tradition, die man nicht missen möchte.
Doch die Faszination hat in den vergangenen Jahren schon auch etwas gelitten. Dass eine Mauer mit einer Höhe von über zwei Metern übersprungen wurde, scheint Lichtjahre her. Zuletzt brachen die Reiter meist schon nach spätestens 1,90 Meter ab, teilten sich den Sieg.
Aus Sicht des Pferdewohls nur zu verständlich, aus Zuschauersicht jedoch auch enttäuschend.
Doch es gibt einfach im Vergleich zu früher auch nicht mehr so viele Spezialisten, egal ob Reiter oder Pferd, die sich diesem Abenteuer überhaupt stellen.
Die Zeit der Mächtigkeitsspringen ist vorbei. Das eröffnet die Chance für etwas Neues, vielleicht noch Großartigeres.
Eines ist jedoch klar, die Elmloher Reitertage brauchen für den Samstagabend einen neuen, unterhaltenden Programmpunkt.