Einer, der sich gut mit dem Thema auskennt, ist Manfred Ostendorf, Geschäftsführer des Kreislandvolkverbandes Wesermarsch. Er sagt, viele Landwirte spielten aktuell mit dem Gedanken, auf Photovoltaik als zukünftige Einnahmequelle zu setzen. Bei einer ganzen Reihe von Höfen in der Wesermarsch seien die Planungen sogar schon relativ konkret.
Geschätzt 80 Prozent der angehenden Solarwirte seien an Freiflächen-Photovoltaik interessiert - das heißt, sie möchten großflächige Solarparks anlegen, die dementsprechend viel Geld einbringen. Solche Lösungen, so Manfred Ostendorf, seien vor allem für Moorflächen interessant, die in Zeiten des Moorschutzes als Weideland immer weniger attraktiv sind.
„Bei Grünland, da geht es halbwegs“
Agri-PV-Anlagen, die eine Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen weiterhin möglich machen, seien hingegen „eher unbeliebt“. Zum einen gibt es Agri-PV-Anlagen, die vertikal ausgerichtet werden. Auf der Weide stehen dann lange Solarpaneelreihen, zwischen denen noch gewirtschaftet werden kann.
Eine Alternative stellen Agri-PV-Anlagen dar, bei denen die Paneele auf mehreren Meter hohen Modultischen montiert sind. Wie ein Dach spannt sich die Solarfläche hier über die zu bewirtschaftende Fläche. Für den Ackerbau seien Agri-PV-Anlagen eher ungeeignet, sagt Manfred Ostendorf. „Bei Grünland, da geht es halbwegs“, sagt er.
Bislang gibt es in der Wesermarsch noch keinen Landwirt, der über eine Agri-PV-Anlage verfügt, aber das könnte sich schon bald ändern: Henning Kruse, Landwirt aus Butzhausen in der Gemeinde Lemwerder, möchte auf einer rund 17.800 Quadratmeter großen Acker- und Weidefläche einen Solarpark in der Agri-PV-Variante errichten.
So viel Strom soll der Solarpark produzieren
Rund 11 Megawatt Strom will Henning Kruse dort jährlich produzieren. Bevor er mit der Sonnenernte beginnen kann, muss er allerdings acht Millionen Euro investieren und den Gemeinderat Lemwerders überzeugen, den Flächennutzungsplan anzupassen.
Seit rund einem Jahr grübelt der Landwirtschaftsmeister, der eine Biogasanlage betreibt und mehrere PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 0,8 Megawatt auf den Stalldächern seines Betriebs installiert hat, wie er mehr Ertrag aus seinen Flächen herausholen kann.
Für seinen Solarpark hat sich Henning Kruse eine besondere Anordnung ausgedacht: Er will nur die Ränder der kleinen Gräben, sogenannte Grippen, nutzen. Davon hat er viele, denn die Grippen durchziehen die Wiesen und Weiden in der Wesermarsch im Abstand weniger Meter wie ein feines Netz.

Auf einer knapp 17.800 Quadratmeter großen Wiese hinter seinem Stall möchte Landwirt Henning Kruse einen 11-Mega-Watt-Solarpark installieren. Foto: Wenke
„Ich habe nach Flächen geguckt, auf denen die Grippen von Ost nach West verlaufen“, erzählt der potenzielle Freiflächen-Sonnenwirt. „Dann können die Modultische nach Süden ausgerichtet werden.“ Die Solarmodule sollen an den Grippen platziert und so hoch angebracht werden, dass darunter noch Landwirtschaft betrieben werden kann.
Auf dem Boden unter den vier Meter breiten Modultischen, die in einer Höhe von rund zwei Metern installiert werden, will Henning Kruse weiter wirtschaften wie bisher - mit Mähwerk, Schwader, Düngerstreuer und Ladewagen. „Und ein Bagger muss zum Reinigen auch noch bis an die Grippen kommen.“
Henning Kruse hat bereits eine Machbarkeitsstudie anfertigen lassen. Bei gut 1.000 Sonnenstunden pro Jahr würde die geplante Anlage laut angehendem Freiflächen-Sonnenwirt rund 10,5 Megawatt produzieren. Die Annahme sei realistisch, sagt Kruse. Für Bremen haben Experten 1.044 Sonnenstunden pro Jahr ermittelt.
Henning Kruse hofft auf möglichst viele Nachahmer
Henning Kruse hofft, dass seine Idee funktioniert und andere Landwirte nachziehen. „Ich habe Angst, dass Investoren die Flächen rauben“, sagt er. „Für die Landeigentümer ist das eine tolle Sache. Investoren zahlen zehnmal so viel Pacht wie ein landwirtschaftlicher Betrieb“, weiß Henning Kruse. „Aber es ist schädlich, wenn wir uns Investoren in die Gemeinde holen, die ihre Steuern sonst wo zahlen.“
Wenn Henning Kruses Antrag auf Ergänzung des Flächennutzungsplans positiv beschieden wird, will der Landwirt im Frühjahr 2024 mit dem Bau seiner Freiflächen-Solaranlage beginnen - und drei Monate später fertig sein. Henning Kruse räumt ein, dass sein Projekt „eine Wette auf die Zukunft ist. Aber eine, an die ich glaube.“
Institut wirbt für Agri-PV-Anlagen
Das Fraunhofer-Institut wirbt auf seiner Internetseite für Agri-PV-Anlagen. In den zurückliegenden Jahren sei es mal zu trocken und zu heiß gewesen, mal wiederum habe plötzlicher Hagel die Ernte bedroht. Photovoltaik-Anlagen könnten helfen, die Ernte zu verbessern. „Sie schützen durch ihren Schatten vor zu viel Sonne und Austrocknung oder bremsen Hagelkörner aus“, heißt es auf der Seite.