Niedersachsen
Weil kritisiert Ampel-„Lärm“: Besteuerung von neuen Ehen
Die Ampel-Koalition im Bund hat aus Sicht von Niedersachsens Regierungschef noch Luft nach oben. In der Diskussion um das Ehegattensplitting springt er SPD-Chef Klingbeil bei.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil spricht in der Leibniz Universität Hannover.
Foto: Moritz Frankenberg/dpa/Archivbild
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat der Bundesregierung eine gemischte Zwischenbilanz ausgestellt. „Es ist der Ampel viel gelungen in enorm schwierigen Zeiten“, sagte der SPD-Politiker mit Blick etwa auf die Sicherstellung der Energieversorgung im vergangenen Winter. Allerdings würden Konflikte zu häufig in der Öffentlichkeit ausgetragen. „Wenn man jetzt noch den öffentlichen Eindruck verbessert und den öffentlichen Lärm reduziert, dann kann es eine gute zweite Halbzeit werden“, sagte Weil.
Beispielsweise beim Heizungsgesetz könne er die Verunsicherung vieler Menschen nachvollziehen. Man könne nicht erwarten, dass die Bürger „bei diesem ganzen Hin und Her den Durchblick behalten“, sagte der Regierungschef der Deutschen Presse-Agentur. „Ich hätte mir insbesondere von der FDP gewünscht, dass die Lautstärke um ein paar Dezibel reduziert wird.“
Über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte Weil, er rechne es ihm an, dass er anders als seine Vorgänger keinen Bogen um das schwierige Thema Heizen gemacht habe. „Gleichzeitig war es jedoch ein großer Fehler, einen Entwurf im Vorfeld undiskutiert zu lassen.“
Er selbst heize zu Hause noch mit Gas, erklärte Weil. Mit Blick auf die geplante kommunale Wärmeplanung hoffe er nun, „dass unser kleines Häuschen bei der Fernwärmeversorgung einbezogen werden kann“.
Als Erfolge der Bundesregierung nannte Weil schnellere Genehmigungen für den Ausbau erneuerbarer Energien, die Modernisierung des Einwanderungsrechts, die Erhöhung des Kindergelds sowie die Sicherung der Energieversorgung trotz des Ukraine-Kriegs.
„Die Art und Weise, wie es gelungen ist, sich in sehr kurzer Zeit von Russland abzukoppeln und die Energieversorgung sicherzustellen, war wirklich sehr beachtlich. Das war schon ein politisches Kunststück“, sagte Weil. Grünen-Politiker Habeck müsse er in diesem Punkt ausdrücklich loben.
Weil zeigte sich zudem offen für den Vorstoß von SPD-Chef Lars Klingbeil, das Ehegattensplitting bei der Steuer für neue Ehen abzuschaffen. „Das Ehegattensplitting aus der Adenauerzeit hat das Bild vor Augen, dass die Frau zu Hause ist und sich um Heim, Herd und Kind kümmert, während der Mann das Familieneinkommen beschafft. Diese Einstellung hat sich gründlichst verändert“, sagte er.
Frauen und Männer sollten bei Beruf und Familie gleichberechtigt sein. Es gebe auch viele Partnerschaften, die außerordentlich stabil seien, aber auf einen Trauschein verzichteten. „Deswegen ist die Frage berechtigt, ob diese steuerliche Regelung noch zeitgemäß ist.“
Als sinnvoll bezeichnete Weil es, dass Klingbeil seinen Vorstoß ausdrücklich nur auf neu zu schließende Ehen bezogen hat. „Damit stößt man die Paare, die sich darauf eingestellt haben, nicht vor den Kopf“, sagte Weil. FDP-Chef Christian Lindner hält nichts von dem Vorstoß des SPD-Vorsitzenden. „Das wird nicht kommen in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages“, sagte der Finanzminister im „Interview der Woche“ von BR24. Der Schritt sei weder in der Koalition verabredet noch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fair.
Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen eines Paares halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient.