„Das Kind ist gestorben infolge eines Hirntodes und es hatte sich noch ein Atemwegsinfekt entwickelt“, erläuterte ein Rechtsmediziner am Landgericht Verden in dem Prozess gegen die Mutter des Kindes. Ursache der „schwersten Hirnschädigung“ sei eine „völlig unzureichende Ernährung, insbesondere eine völlig unzureichende Flüssigkeitszufuhr“ gewesen.
Beurteilung des Falles sehr schwer
„Die Beurteilung dieses Falles ist für uns sehr schwer. An einen vergleichbaren Fall kann ich mich nicht entsinnen“, merkte der langjährige Vorsitzende Richter Volker Stronczyk an. Der 35 Jahre alten Angeklagten wird vorgeworfen, ihren Sohn viel zu geringe Trinkmengen gegeben zu haben und deshalb durch Unterlassen für dessen Tod verantwortlich zu sein.
Nicht infrage stellte der Vorsitzende, dass der Junge in einem „dehydrierten, lebensgefährlichen Zustand“ in die Klinik eingewiesen worden ist, betonte der Vorsitzende. „Eine extreme Dehydrierung“, merkte der Rechtsmediziner an. Das war der Zustand am 13. Lebenstag des Neugeborenen. Hinzugekommen sei in der Klinik „eine Lungenentzündung nach mehrtägiger Beatmung“.
Bei der Geburt wurden 4.460 Gramm als Gewicht notiert. „Nur drei Prozent aller Kinder sind schwerer“, erläuterte ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Von diesem Gewicht ausgehend, hätte der Junge bei seiner Einweisung nach 14 Tagen 4.600 Gramm wiegen sollen, rechnete der Mediziner vor. „Das entspricht 30 Prozent Gewichtsabnahme“, so der Sachverständige. 1,4 Liter Flüssigkeit hätten in dem kleinen Körper gefehlt. Dies decke sich mit den festgestellten Werten und dem „leeren Herz“ des Neugeborenen.
Flüssigkeitsmangel als mögliche Ursache
Eine kurze Durchfallerkrankung als Ursache hält der Facharzt für „unwahrscheinlich“. Höchstwahrscheinlich ist der Flüssigkeitsmangel über einen längeren Zeitpunkt entstanden, wobei ich das nicht beweisen kann“, führte er aus.
„Ich komme zu dem Schluss, dass so ein starker Gewichtsverlust nicht innerhalb weniger Tage erklärbar ist, sondern wahrscheinlicher ist eine chronische Mangelernährung“, so seine Bewertung. Dann sei eine „Virusinfektion“ dazu gekommen und habe das „fragile Gleichgewicht zum Kippen gebracht“. Von „multiresistenten Keimen als Zufallsbefund“ sprach der Facharzt.
So klar sieht die Schwurgerichtskammer es offenbar nicht. Welches Gewicht der Junge bei einer Untersuchung drei Tage vor seiner Einweisung hatte, wisse man nicht, stellte der Vorsitzende fest. Aber aus den Feststellungen in der Patientenakte der Kinderärztin würden sich „keine Anhaltspunkte für eine Mangelernährung ergeben“.
Keine Tötungsabsicht erkennbar
„Wir halten es für wenig wahrscheinlich, dass die Angeklagte das Kind hat töten wollen“, sprach der Vorsitzende für die Kammer. „Und wenn, dann hätten zwei Leute auf der Anklagebank sitzen müssen“, womit er den Ehemann meinte.
Nach vorläufiger Bewertung sehe die Kammer keinen Körperverletzungsvorsatz und gehe derzeit davon aus, dass die vierfache Mutter „die Lebensgefahr nicht erkannt hat“. Die Staatsanwältin bat jedoch um den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Totschlags durch Unterlassen in Betracht kommen könnte.
Am 9. Januar sollen die Plädoyers gehalten und voraussichtlich das Urteil verkündet werden. (js)
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