Nordenham

Umgedrehte Deutschland-Flagge am Nordenhamer Weserufer: Den Staat verunglimpft?

Gegen den Mitarbeiter des Nordenhamer Bauhofs, der für die Flaggen am Weserstrand zuständig ist, wurde Anzeige erstattet. Was genau ist passiert? Was sagt der Bauhof-Chef zu der Sache? Und wie beurteilt die Staatsanwaltschaft den Fall?

An dem Mast, der jetzt verwaist ist, baumelte die verkehrt herum aufgehängte Flagge.

An dem Mast, der jetzt verwaist ist, baumelte die verkehrt herum aufgehängte Flagge. Foto: Glückselig

Der Bauhof-Mitarbeiter, der mutmaßlich die Schuld daran trägt, dass sich die Polizei in Delmenhorst und die Staatsanwaltschaft in Oldenburg mit der Stadt Nordenham beschäftigen mussten, schüttelt ratlos den Kopf. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, sagt er und ergänzt: „Als wenn es auf der Welt keine anderen Probleme gäbe.“

Was den Mann so fassungslos macht, ist eine Anzeige, die bei der Polizei erstattet wurde, weil am Union-Pier in Nordenham eine Deutschland-Flagge falsch herum aufgehängt wurde. Der Bauhof ist für die Flaggen dort verantwortlich. Der zur Anzeige gebrachte Vorwurf lautet: Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole nach Paragraf 90a Strafgesetzbuch.

Staatsanwaltschaft: Straftatbestand nicht erfüllt

Tatsächlich hing an einem der drei Fahnenmasten, die zwischen dem Leuchtfeuer und dem Vereinsheim des Nordenhamer Ruderclubs am Weser-Ufer in die Höhe ragen, eine gold-rot-schwarze statt einer schwarz-rot-goldenen Flagge.

Die Polizei sowie die Staatsanwaltschaft in Oldenburg bestätigen auf Nachfrage, dass deshalb Anzeige erstattet wurde - offenbar von Urlaubern, die auf dem Weser-Radweg unterwegs waren.

Die Frage, warum die Flagge verkehrt herum am Mast ging, treibt den Bauhof um, die Staatsanwaltschaft hingegen nicht. Denn laut Pressesprecher Thorsten Stein erfüllt alleine eine umgedrehte Deutschland-Flagge noch nicht den Straftatbestand der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die umgekehrte Deutschland-Flagge als Symbol der Reichsbürger- und Querdenker-Szene gilt, die damit die Missachtung des deutschen Staates zum Ausdruck bringen. Rechtsextreme sehen Gold-Rot-Schwarz sogar als die „wahre Nationalflagge“ an.

Staatsanwaltschaft hätte Vorsatz nachweisen müssen

Um dem Bauhof-Mitarbeiter aus diesen Zusammenhängen einen Strick zu drehen, hätten man ihm laut Thorsten Stein aber nicht nur nachweisen müssen, dass tatsächlich er die Flagge falsch herum aufgehängt hat - was der Mann bestreitet. Man hätte ihm auch nachweisen müssen, dass er die Flagge vorsätzlich, absichtlich also, gedreht hat. Beides war nicht möglich. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren inzwischen eingestellt, wie der Pressesprecher am Mittwoch auf KZW-Nachfrage berichtete.

Bei einem Verstoß gegen den Paragrafen 90a droht nach Auskunft von Thorsten Stein eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren oder eine empfindliche Geldstrafe, deren Höhe sich nach der Schwere der Tat und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bemisst. Beides muss der Bauhof-Mitarbeiter nun nicht mehr fürchten.

Bauhof-Chef: Mitarbeiter hat nichts falsch gemacht

Bernd Bunjes, kommissarischer Leiter des Bauhofs, hatte sich in der Sache von Anfang an hinter seinen Mitarbeiter gestellt. Dieser habe „glaubhaft versichert“, dass er die Fahne richtig herum angebracht hat. Wieso hing sie dann umgedreht am Mast? Bernd Bunjes tippt darauf, dass Dritte die Verursacher waren. Dass es sich dabei um Reichsbürger oder Querdenker gehandelt hat, ist zwar nicht auszuschließen. Es gibt darauf aber keinerlei Hinweise.

„Das hat schon eine besondere Qualität“, sagt der kommissarische Bauhof-Chef zu der Anzeige, die die Radler erstattet haben. „Wir versuchen, hier gute Arbeit zu machen und müssen uns dann mit so einem Kram auseinandersetzen“, sagt Bernd Bunjes. Bei einem freundlichen Hinweis hätte der Bauhof sofort reagiert und die Flagge umgehängt, versichert er.

Jede Beschwerde wird zum Katastrophenszenario

Dass die Leute, denen die umgedrehte Fahne sauer aufstieß, stattdessen Anzeige bei der Polizei erstatteten, passt laut Bernd Bunjes ins Bild: „Leider ist es inzwischen Usus, dass sich Leute über alles Mögliche beschweren und sofort ein Katastrophenszenario heraufbeschwören.“

Der betreffende Mast am Union-Pier ist inzwischen übrigens kahl. Ein paar Meter weiter flattern weitere Flagge im Wind - richtig herum.

Einen Kommentar dazu lesen Sie hier.

Für die Flaggen im Bereich des Weserufers und des Bahnhofs ist der Bauhof zuständig.

Für die Flaggen im Bereich des Weserufers und des Bahnhofs ist der Bauhof zuständig. Foto: Glückselig

Detlef Glückselig

Redaktionsleiter

Er ist mit Leib und Seele Lokaljournalist. Seit 1984 berichtet er aus der Wesermarsch. Es sind die Menschen und ihre Geschichten, die ihn interessieren. Detlef Glückselig ist der Redaktionsleiter der Kreiszeitung.

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