Die Sozialen Medien haben am Abend der Landtagswahl in Niedersachsen in unserer Region keine Rolle gespielt. Die Politiker in den Landkreisen Cuxhaven, Wesermarsch und Rotenburg haben die letzten Momente des Wahlkampfes und die Wahlpartys überwiegend analog verbracht.
Dabei haben Bundespolitiker wie Christian Lindner längst erkannt: Über die Sozialen Medien können Politiker innerhalb von Sekunden selbst politische Botschaften in die Welt schicken. Mehr noch: Sie können ein Gefühl bei den Wählern erzeugen und als Mensch greifbar werden. Steht da ein gradliniger Macher, ein erfolgreicher Geschäftsmann oder ein emotionaler Familienmensch? Wie sieht der Alltag eines Politikers aus?
Zu viel Selbstinszenierung ist unerträglich, aber im richtigen Maße liegt darin gerade für Direktkandidaten eine große Chance. Sie stehen immerhin als Person für ihre Partei. Doch zwischen Jadebusen und Elbe scheint das noch nicht angekommen zu sein.
Standard-Post ohne Emotionen
Niedersachsens SPD-Gesundheitsministerin Daniela Behrens ist ein gutes Beispiel. Sie ist keine politische Anfängerin und hat immerhin drei Social Media Accounts: Twitter, Facebook und Instagram. Doch am Wahlabend gab es von ihr nur einen der standardisierten SPD-Wahlaufrufe auf Instagram zu sehen. Dass sie als Direktkandidatin bei der Landtagswahl in Geestland (Wahlkreis 57) gegen den CDU-Politiker Claus Seebeck verloren hat, erwähnt sie erst am Folgetag. Auf Facebook verweist sie auf die guten Wahlergebnisse der SPD, die Erfolge der AfD und ihren eigenen Misserfolg.
Der glückliche Gewinner, CDU-Politiker und selbstständige Gastronom Seebeck, zählt hingegen zu den Politikern, die etwas aktiver sind auf Social Media. Bevor die Wahllokale schließen, postet er einen Video-Wahlaufruf auf Instagram und auf Facebook Fotos vom Familien-Spaziergang zur Wahlurne. Nachdem das Ergebnis verkündet wurde, hört und sieht man dort allerdings nichts mehr von ihm. Nur die zahlreichen Glückwünsche von Freunden und Parteimitgliedern sammeln sich auf seiner Facebook-Seite.
Allgemein fällt auf, dass Twitter - die Plattform, die für politischen Diskus steht - von den Politikern der Region gar nicht genutzt wird. Hauptsächlich sind sie auf Facebook aktiv - eine Plattform, die seit einigen Jahren kaum noch von jungen, medienaffinen Menschen genutzt wird. An die vergleichsweise neue App TikTok ist natürlich gar nicht erst zu denken und der Auftritt auf Instagram ist im besten Falle sporadisch. In der Regel findet man dort keine individuelle Note, sondern es werden vorgefertigte Partei-Posts oder uninspirierte Wahlaufrufe mit den Followern geteilt.
Albert Mumme von den Linken - Wesermarsch:
Christian Meyer-Hullmann von der FDP - Wesermarsch:
Eva Viehoff von den Grünen - Gemeinden Beverstedt, Hagen, Hambergen, Loxstedt und Schwanewede:
Etwas raffinierter machen es Oliver Lottke von der SPD, Dr. Denis Ugurcu von der CDU, Jana Wanzek von den Grünen und Dr. Marco Mohrmann von der CDU. Lottke, Ugurcu und Mohrmann melden sich nach der Wahl mit etwas persönlicheren Fotos, Texten und sogar Storys. Die junge Grünen-Politikerin hat vorab eine musikalische Bildercollage aus ihrem Wahlkampf gebastelt und meldet sich danach mit einem kurzen, schlichten Post.
Auffällig ist, dass niemand von ihnen die Follower mit auf eine Reise durch den Wahlabend nimmt und sie an den Emotionen teilhaben lässt. Selbst die jüngeren Politiker sind sehr zurückhaltend. SPD-Bundestagsabgeordneter Daniel Schneider postet lediglich einen simplen Wahlaufruf auf Instagram und Facebook, um seine Parteikollegen zu unterstützen. Dabei weiß der Gründer und ehemalige Veranstalter des Deichbrand-Festivals, wie die Sozialen Medien funktionieren.
Die Beiträge wirken halbherzig und unentschlossen
Es ist kein Geheimnis, dass sich Inhalte über eine menschliche Ebene besser transportieren lassen. So funktioniert immerhin das gesamte Influencer-Business. Man kann das in der Politik durchaus kritisch sehen und sich bewusst für eine emotionslose Kommunikation in den Sozialen Medien entscheiden. Oder man kann sich bewusst davon abwenden, wie es Robert Habeck oder Kevin Kühnert bei Twitter getan haben.
Aber beim Blick auf die Social-Media-Beiträge am Abend der Landtagswahl wird deutlich: Die politischen Köpfe zwischen Jadebusen und Elbe haben beim Thema Social Media meist keine bewusste Entscheidung getroffen. Ihre Beiträge wirken halbherzig und unentschlossen. Hier weiß man auch im Jahr 2022 einfach noch nicht so richtig, was man mit diesen Plattformen eigentlich anfangen soll.