Die Begeisterung für die Beizjagd ist beim „normalen Volk“ angekommen und wird zunehmend, auch im Kreisbereich Rotenburg praktiziert. In wenigen Tagen, am 7. und 8. Januar kommenden Jahres, treffen sie sich in Hiddingen zu ihrer alljährlichen revierübergreifenden Gemeinschaftsbeizjagd.
Etwa 15 Falkner und Falknerinnen aus dem Bereich zwischen Ottingen und Scheeßel, zwischen Westerwalsede und Schneverdingen werden sich mit dem traditionellen „Falknersheil!“ begrüßen. Organisiert von den Falknern Herbert Meyer aus Ottingen; Irene Böttcher aus Scheeßel; Rolf Musiek aus Söhlingen; Daniel Precht aus Brockel und Imke Westermann aus Emtinghausen im Kreis Verden sind auch in der Gemarkung Hiddingen die Rabenkrähe Ziel der Beizjagd.
Als Belohnung gibt es das Fleisch einer Taube
Dabei ist auch Robert Peters, Falkner aus Bothel, mit seinem prächtigen siebenjährigen Steinadler-Weibchen „Lara“, weit und breit der einzige Steinadler, die als frei lebende Exemplare in Deutschland nur noch in den Bayerischen Alpen vorkommen. Der 62-jährige Peters hat „Lara“ zu einer Übung in der raureifgepuderten offenen Landschaft in der Nähe von Bothel auf einem Block abgesetzt. Der große Greifvogel trägt an einem seiner gelben Ständer eine Langfessel. Peters entfernt sich etwa 25 Meter von „Lara“ und ruft sie durch Lockrufe. Dann reagiert der Steinadler, breitet seine mächtigen Flügel aus und startet. Flach fliegt der Adler, wie bei seiner natürlichen Jagd in der Natur zu Robert Peters zurück. Ein eleganter Bogen, und er setzt auf der ausgestreckten mit einem Lederhandschuh geschützten Hand des 62-Jährigen auf. Dort wartet als Belohnung für „Lara“ das Fleisch einer toten Taube, das der Adler mit seinem spitzen Schnabel Stück für Stück zerteilt.
Klare Regeln für die Jagd mit Beizvögeln
„Vorsicht, nicht zu nahekommen, das könnte der Adler falsch verstehen. Er würde seine Beute verteidigen“, ruft Peters den Beobachtern zu. Konkurrenzzwist kann es unter Greifvögeln verschiedener Arten immer wieder geben. Deshalb hat Herbert Meyer (73), pensionierter Forstamtmann aus Ottingen bei Visselhövede und seit Jahrzehnten Falkner, seine achtjährige „Lady“, ein Beizhabicht, der mit nach Bothel gekommen ist, auch gleich in seinem Geländewagen gelassen. Die beiden Männer sind, wie die Regeln es erfordern, in Besitz eines Jagdscheins und haben die theoretische und praktische Prüfung als Falkner abgelegt. Den Vorwurf mancher Tierschützer, Beizvögel würden durch die Falknerei gequält, lassen sie nicht gelten. Peters: „Falkner sind auch Naturschützer. Der Deutsche Falkenorden (DFO) ist als Naturschutzverband wie der NABU und der BUND anerkannt. Unser Ziel ist unter anderem die Hege und Pflege von verletzten Greifvögeln sowie die Wiederansiedlung von verschiedenen Greifvogelarten, wie zum Beispiel der Wanderfalken.“
„Ein gutes Handling mit den Beizvögeln lässt uns tief in die Seele blicken“, sagt Herbert Meyer. Er ergänzt: „Man gibt einem wilden Greifvogel oder Beizvogel die Freiheit zum Fliegen und Jagen, und wenn dann der Beizvogel nach dem Freiflug auf die Faust des Falkners zurückkommt, ist es ein beglückendes und faszinierendes Gefühl. Mit einem guten Umgang des Beizvogels gelingt es mir, mit den Jagdhelfern Hund und Frettchen ein gutes, erfolgreiches Jagderlebnis zu erfahren. Ich bin von den interessanten Jagdflügen fasziniert, wobei Beizvogel und Beutewild gleiche Chancen haben. Falknerei ist für mich kein Sport und Hobby, sondern eine Lebenseinstellung.“
Rund 2000 Falkner in ganz Deutschland im Einsatz
In der Region Rotenburg gibt es zur Zeit 15 Falkner, darunter drei Frauen. In Niedersachsen beträgt die Zahl der Falkner circa 350, wobei etwa die Hälfte die Beizjagd betreiben. In Deutschland beläuft sich die Zahl der Falknerinnen und Falkner auf etwa 2000, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Organisiert sind sie zum größten Teil im Deutschen Falkenorden (DFO), der 1921 in Leipzig gegründet wurde. Als Beizvogel bevorzugen die meisten Falkner den Habicht. Weitere Beizvögel sind unter anderem Wanderfalken, Gerfalken und Wüstenbussarde. Die Falknerei, die ursprünglich aus Asien stammt und mehrere Tausend Jahre alt ist, wurde vor zwölf Jahren von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. bn

Falkner Herbert Meyer mit Habicht „Lady“ (l.) und Robert Peters mit Steinadler „Lara“. Foto: Bonath

Steinadler „Lara“ mit elegantem Flug zurück auf die Faust von Falkner Robert Peters. Fotos: Bonath Foto: Bonath