In vier Wochen wird der paneuropäische Gesangs-Ringelpiez wieder steigen, in diesem Jahr in der Wiege der Popmusik. Liverpool. Und ich werde wie in den letzten 44 Jahren (mit wenigen Unterbrechungen) am Fernseher dabei sein und aus vollem Herzen lästern.
Vieles hat sich geändert in dieser Zeit. Im vergangenen Jahrtausend etwa traf einen die Wucht der bis zu 25 Beiträge aus ganz Europa (bis auf den eigenen) noch an einem einzigen Samstagabend weitgehend unvermittelt. Seit rund 20 Jahren gibt es Halbfinals, die unter der Woche schon einmal eine gewisse Vorwarnung auf das aussenden, was einen zum Finale erwartet. Und dank Internet und Livestreams kann man heutzutage die Vorentscheide jedes Landes und damit auch die individuelle Bandbreite nationalen Musikwahnsinns in Echtzeit mitverfolgen.
Außerdem gibt es inzwischen „Pre-Parties“, Live-Shows, auf denen sich die qualifizierten ESC-Teilnehmer in den Wochen vor dem Wettbewerb auf mehreren Bühnen Europas präsentieren können. Unter anderem in Madrid, Tel Aviv, Amsterdam und London. Mein Recherchetrieb führte mich am vergangenen Sonnabend nach Amsterdam, um mir ein aktuelles Bild von den Live-Qualitäten von zumindest einer Mehrzahl der Teilnehmer zu machen. 29 der insgesamt 37 Teilnehmer hatten sich für „Eurovision in Concert“ angekündigt, 27 traten auch auf (Blanka aus Polen und La Zarra aus Frankreich waren noch rechtzeitig vor ihren Auftritten erkrankt).
Ein Fazit und Prognosen für den ESC sind aus den Auftritten bedingt möglich, eher zumindest als aus vielen Vorentscheiden, wo schwächelnde Stimmen noch mit Autotune, einem Computerprogramm, geglättet wurden. Im Wettbewerb ist das aber verboten. In Amsterdam mussten sich die Interpreten zugegebenermaßen mit einer stark verbesserungswürdigen Akustik auseinandersetzen. Gute Stimmen (z.B. Deutschland, Spanien, Belgien) meisterten das, schlechte bis miese Stimmen (z.B. Niederlande, Niederlande und vor allem Niederlande) wurden abgestraft. Am ehesten aber konnten die Bühnenshows einen Vorgeschmack auf das geben, was uns in Liverpool erwartet. Und sollte Resteuropa ähnlich ticken wie das internationale Publikum in Amsterdam, dürfte Deutschland recht weit vorne landen. Haushoch gewinnen müsste aber Finnland.