Hamburg & Schleswig-Holstein

Dobrindt verbietet islamistischen Verein Muslim Interaktiv

Forderungen nach einem Kalifat, Israel-Feindlichkeit, Verachtung für Frauen und Minderheiten - warum das Bundesinnenministerium einen islamistischen Verein verbietet.

Von dpa
5. November 2025
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In Hamburg war Muslim Interaktiv präsent - nun schlug die Polizei zu.

In Hamburg war Muslim Interaktiv präsent - nun schlug die Polizei zu.

Foto: Marcus Brandt

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den islamistischen Verein Muslim Interaktiv verboten. Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen, wie das Ministerium mitteilte. Im Zusammenhang mit dem Verbot und den Ermittlungen untersuchten Polizeikräfte am frühen Morgen Objekte in Hamburg, Berlin und Hessen.

In Hamburg gab es demnach Durchsuchungen in sieben Objekten. Nach dpa-Informationen liegen sie in den Stadtteilen Neuallermöhe und Mümmelmannsberg. Zahlreiche Polizeikräfte waren im Einsatz. In Hessen sind nach Angaben einer Sprecherin des hessischen Innenministeriums vier Objekte betroffen. In Berlin liegt einer der Einsatzorte nach dpa-Informationen im Bezirk Neukölln.

Auch in Berlin durchsuchten Polizisten am Mittwochmorgen ein Objekt.

Auch in Berlin durchsuchten Polizisten am Mittwochmorgen ein Objekt.

Foto: Manuel Genolet

„Verfassungsfeindliche Grundhaltung“

„Wer auf unseren Straßen aggressiv das Kalifat fordert, in unerträglicher Weise gegen den Staat Israel und Juden hetzt und die Rechte von Frauen und Minderheiten verachtet, dem begegnen wir mit aller rechtsstaatlichen Härte“, erklärte Dobrindt. „Wir lassen nicht zu, dass Organisationen wie „Muslim Interaktiv“ mit ihrem Hass unsere freie Gesellschaft zersetzen, unsere Demokratie verachten und unser Land von innen heraus angreifen.“

Hamburgs Innensenator Andy Grote bezeichnete das Verbot als Schlag gegen „den modernen Tiktok-Islamismus“. „Mit dem heute vollstreckten Verbot von Muslim Interaktiv haben unsere Sicherheitsbehörden eine gefährliche und sehr aktive islamistische Gruppierung ausgeschaltet“, sagte der SPD-Politiker. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) erklärte, die in Hamburg gesammelten Erkenntnisse hätten maßgeblich dazu beigetragen, „ein bundesweites Verbot zu ermöglichen“.

Islam als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell

Muslim Interaktiv lehne das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ab und weise damit eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, schrieb das Bundesinnenministerium in einer Mitteilung. Der Verein verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung, indem er das Existenzrecht Israels bestreite. Er werde aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt.

In mehreren Bundesländern gab es Durchsuchungen. (Symbolbild)

In mehreren Bundesländern gab es Durchsuchungen. (Symbolbild)

Foto: Annette Riedl

Der Islam solle aus Sicht von Muslim Interaktiv als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell dienen und islamisches Leben staatlichen Entscheidungen vollständig entzogen sein. Zum Beleg führte das Ministerium Zitate des Vereins auf wie „all unsere Ideen und Wertevorstellungen entspringen unserer islamischen Weltanschauung und sind unverhandelbar“. Die demokratische Gesellschaft entspreche demnach einer „Wertediktatur“.

Propaganda in sozialen Medien und Aktionen in der realen Welt

Darüber hinaus missachte Muslim Interaktiv die Menschenrechte, so das Bundesinnenministerium. Die Gruppe richte sich insbesondere gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie gegen die Freiheit hinsichtlich sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. Man setze auf die massive Nutzung sozialer Medien und „Performances“ in der realen Welt.

„Hierdurch soll eine möglichst große Gruppe von Menschen indoktriniert und so beständig Verfassungsfeinde geschaffen werden, um die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend zu untergraben.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte das Verbot. „Das Abschalten der Social Media Accounts und die Beschlagnahme des Vereinsvermögens wird nachhaltig Wirkung in Deutschland zeigen, denn vor allem Jugendliche waren im Blick dieser Islamisten“, betonte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke.

Weitere Ermittlungen

Das Ermittlungsverfahren gegen und die Durchsuchungen bei Generation Islam und Realität Islam seien geboten, da die Organisationen dringend verdächtig seien, die gleichen Verbotsgründe zu verwirklichen wie Muslim Interaktiv oder dessen Teilorganisationen zu sein, so das Innenministerium. In dem Ermittlungsverfahren sollten Erkenntnisse über „sämtliche inhaltliche, organisatorische, personelle und finanzielle Aspekte dieser Vereinigungen“ erlangt werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht bei den drei Vereinigungen, die sich mit ihren Aktionen und Social-Media-Aktivitäten vorwiegend an junge deutschsprachige Muslime richten, eine ideologische Nähe zur Islamisten-Gruppierung „Hizb ut-Tahrir“, für die in Deutschland seit 2003 ein Betätigungsverbot gilt.

Zielgruppe junge Muslime

Die Protagonisten der drei Vereinigungen rufen zu einer an einem archaischen Islam orientierten Lebensweise und zur Abkehr von der Mehrheitsgesellschaft auf. Sie warnen vor einer angeblich staatlich forcierten Anpassung und stellen Muslime generell als unterdrückte Minderheit dar. Das verfängt vor allem bei jungen Muslimen, die im Alltag aufgrund ihrer Religion Ausgrenzung erfahren haben.

Insbesondere die Gruppe Muslim Interaktiv sei „mit ihrer an der Popkultur orientierten Aufmachung und ihrem professionellen Auftritt in den sozialen Medien vor allem für Jugendliche attraktiv“, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2024. Im vergangenen Jahr sei es ihr zudem gelungen, bei mehreren Demonstrationen, die sich auf den Nahost-Konflikt bezogen, teilweise mehr als 1.000 Teilnehmer zu mobilisieren.

Die drei Gruppierungen werden nicht dem dschihadistischen Spektrum zugeordnet. Das heißt, dass die Islamisten zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele – anders als Gruppierungen wie Al-Kaida oder der sogenannte Islamische Staat (IS) – nicht auf Gewalt und Terrorismus setzen.

Die Beamten sicherten am frühen Morgen Material.

Die Beamten sicherten am frühen Morgen Material.

Foto: Manuel Genolet

In drei Bundesländern gab es Razzien.

In drei Bundesländern gab es Razzien.

Foto: Marcus Brandt

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