Sittensen

Abschied von Sittensen: Pastor Ralf Schöll wechselt in den Ruhestand

Ralf Schöll, Pastor der Freien evangelischen Gemeinde, und seine Frau Hanna verlassen Sittensen. In Norden bauen sie sich ein neues Leben auf. Den Sittensern wird der in den Ruhestand wechselnde Seelsorger sicher gut im Gedächtnis bleiben.

Das Foto zeigt Ralf und Hanna Schöll.

Sagen Sittensen ade: Pastor Ralf Schöll und seine Frau Hanna. Am 25. März packen sie ihre Koffer und fahren nach Norden, wo sie einen Neuanfang wagen. Foto: Jakob Brandt

Er war das Gesicht der Gemeinde: 20 Jahre lang wirkte Ralf Schöll bei der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) in Sittensen. Jahre, die sowohl ihn als auch die kleine Gemeinde geprägt haben. Jahre, in denen sich die Gemeinde fortentwickelt hat, mit den anderen Kirchen im Ort weiter zusammengewachsen ist und Flüchtlingen einen Treffpunkt bot.

Die Schölls sind gut am Packen. Immer wieder fahren sie nach Ostfriesland, stopfen in ihr Auto, was hineingeht. Am 25. März verlässt das Paar Sittensen. Die Gegend an der Nordseeküste ist ihnen nicht unbekannt: Hanna Schöll ist dort groß geworden. In Norden haben sie sich auch trauen lassen. „Ich fand den Ort immer schon sehr nett“, verrät Ralf Schöll.

Der 65-Jährige geht, wie er sagt, mit guten Gefühlen. Er war gerne Pastor in Sittensen. Hierzubleiben: Auch das haben Schölls gedanklich durchgespielt. Sie entschieden sich aber, fortzugehen. Vor allem, um Abstand zu halten. Zum Nachfolger. Zur Gemeinde, ihr den Raum zu geben, Neues zu wagen. Aber auch, um selbst loszulassen.

Ruhestand ernst nehmen

Ralf Schöll möchte den Ruhestand „entdecken“, diese „Lebensphase ernst nehmen“, wie er es formuliert. Angst, in ein Loch zu fallen, hat er, der gern läuft, liest und Rennrad fährt, nicht. Er freut sich schon, in Norden in die Kirche zu gehen, künftig als ganz normaler Gottesdienstbesucher „auf der anderen Seite“ zu sitzen.

Die Verabschiedung

Die Freie evangelische Gemeinde Sittensen verabschiedet sich am Sonntag, 19. März, von Ralf und Hanna Schöll. Der Festgottesdienst findet im Gemeindezentrum der FeG in der Mühlenstraße statt und beginnt um 14.30 Uhr. Die Gemeinde gestaltet die mit musikalischen Beiträgen eingerahmte Feier. Die Festansprache hält der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Freie evangelische Gemeinde in Norddeutschland, Pastor Reinhard Spincke.

Die Jahre in Sittensen haben Schöll persönlich vorangebracht. Er habe gelernt, sagt er, auf andere zuzugehen und seine Kreativität auszuleben. Dabei sei ihm die für neue Ideen offene Gemeinde stets eine Stütze gewesen. „Ich bin froh und dankbar, dass mir hier vieles möglich war.“

Zusammen mit der Gemeinde haben Ralf und Hanna Schöll in den vergangenen 20 Jahren eine Reihe neuer Angebote entwickelt. Unter dem Titel „Mittendrin“ finden beispielsweise an vier Abenden im Jahr Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen aber auch Bar-Abende im Gemeindezentrum statt. Mittendrin: Der Titel ist bewusst gewählt. Er soll zeigen: Wir sind mitten in der Gesellschaft, mitten im Ort verankert - und engagieren uns für ihn.

Immer ein Herz für den Nächsten

Jürgen Brandt, Mitglied des Leitungskreises der FeG, lässt die Schölls nur ungern gehen. Das Paar habe der Gemeinde vorgelebt, „wie notwendig und hilfreich ein Perspektivwechsel und wie sinnvoll und chancenreich das Neue sein kann“. Für den Nächsten hätten sie immer einen Platz im Herzen gehabt, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, „gerade die randständigen, abgehängten oder ausgegrenzten Menschen einzuladen und zu begleiten“.

Das Foto zeigt Jürgen Brandt.

„Ralf und Hanna Schöll leben Beziehungen“, sagt Jürgen Brandt vom FeG-Leitungskreis. „Mit Haut und Haaren und mit vollem Einsatz. Authentisch, lebensnah, bei den Menschen, als gute Zuhörer, konstruktive Ratgeber, Seelsorger oder einfach nur so, in dem sie dabei sind, mittendrin, im Leben, als Freund und Freundin.“ Foto: Andreas Dittmer

In Schölls Zeit hat sich das Verhältnis zur evangelischen Kirchengemeinde weiter entspannt. Der Pastor, der immer schon die Verbindung zu den anderen Kirchen gesucht hat, spricht von einer guten Zusammenarbeit, von einem sehr entspannten Verhältnis. In Sittensen, sagt er, sei er auf offene Türen gestoßen. „Das Interesse ging von beiden Seiten aus, wir mussten nicht bei null anfangen.“

Pastor Thoden erinnert sich gerne

„Gerne denke ich an die Zusammenarbeit mit Pastor Ralf Schöll zurück“, äußert sich Manfred Thoden, ehemaliger Pastor der Sittenser Kirchengemeinde. „Zuerst fallen mir die gemeinsamen Gottesdienste zum Schulanfang ein, die immer kreativ und knackig kurz waren. Ich denke an die gemeinsamen Gebetsabende im Rahmen der Gebetswochen der Evangelischen Allianz, bei denen wir Informationen und Anliegen aus der Börde Sittensen und aus der weiten Welt zu Gebeten gemacht haben.“

Das Foto zeigt Pastor Manfred Thoden.

Worte zum Abschied von Manfred Thoden, dem ehemaligen Pastor der Sittenser Kirchengemeinde: „Lieber Ralf, vielen Dank für all das Gute und Schöne, das wir zusammen gemacht und erlebt haben.“

Wie die beiden anderen Kirchen im Ort hat sich auch die FeG von Anfang an in der Flüchtlingshilfe engagiert. Die FeG schuf 2015 in Kooperation mit dem Flüchtlingshilfeverein EWiS einen Ort der Begegnung für Einheimische und Geflüchtete: das „Café Mittendrin“. „Das ist eine gute Möglichkeit, miteinander auf Deutsch ins Gespräch zu kommen, sich kennen zu lernen und so Verständnis füreinander zu entwickeln“, schildert die EWiS-Vorsitzende Ingrid Kohnert.

Einsatz für Geflüchtete

Auch heute noch, acht Jahre später, gibt es diesen Treffpunkt. Jeden Mittwoch verwandelt sich das Foyer des Gemeindezentrums für ein paar Stunden in ein Café. Das Kernteam ist immer noch dabei. „Wir sind froh und dankbar, dass es so gut läuft“, sagt Schöll. Und es wird auch weitergehen. „Ehepaar Schöll hat es organisiert, dass die Arbeit im Café Mittendrin weitergeht“, freut sich Ingrid Kohnert.

Das Foto zeigt Ingrid Kohnert.

Ingrid Kohnert, die Vorsitzende des Flüchtlingshilfevereins EWiS freut sich, dass Ralf und Hanna Schöll dafür gesorgt haben, dass es mit dem „Café Mittendrin“ weitergeht. Foto: Jakob Brandt

Noch kein Nachfolger

Ein Nachfolger für Ralf Schöll ist noch nicht gefunden. Die FeG wünscht sich einen jungen Pastor mit Familie. Leicht wird es nicht, die Pastorenstelle wieder zu besetzen, denn es fehlen die Jungen. Die Gemeinde wird sich vermutlich auf eine pastorenlose Zeit einstellen und sich selbst organisieren müssen. „Ich wünsche ihr, dass sie gut durch diese Zeit kommt, dabei auch Neues entdeckt und im Vertrauen auf Gott gestärkt wird“, so Schöll.

Was ist die FeG?

Die Freie evangelische Gemeinde (FeG) Sittensen feiert in diesem Jahr ihren 62. Geburtstag. Ihre Mitglieder entscheiden sich „frei“ für ein bewusstes Leben mit Jesus Christus. Die FeG führt keine Säuglingstaufe, sondern eine Glaubenstaufe durch. Man wird nicht in die Gemeinde hineingeboren; Grundlage ist die persönliche Überzeugung und die freie Entscheidung des Menschen, ob er mit Gott leben und ihm vertrauen will, wie es Pastor Schöll einmal formuliert hat. Die FeG finanziert sich nicht durch die Kirchensteuer, sondern über Spenden und Beiträge.

Jakob Brandt
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