Niedersachsen

Ablaufdatum für Gebäude? Wer bestimmt eigentlich, wann eine Immobilie „zu alt“ ist?

Objekte haben Ablaufdaten. Besonders bei Immobilien, ob Wohngebäude oder gewerblich genutzt, stellt sich die Frage, wann dieser „Tag X“ erreicht ist. Steuerliche oder finanzielle Aspekte führen sogar dazu, dass der Moment des Abrisses früher eintritt – oder durch Sanierungen und Investitionen hinausgeschoben wird. Was spricht für und gegen diese Optionen?

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Sanierung oder Abriss? Die Restnutzungsdauer entscheidet. Foto: © Freepik.com #33806227

Wie lange kann eine Immobilie noch wirtschaftlich genutzt werden? Die Antwort auf diese Frage liefert eine spezielle Kennzahl: die Restnutzungsdauer. Dieser Wert beschreibt die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden kann. Unter wirtschaftlicher Nutzung versteht man beispielsweise die Vermietung oder Verpachtung von Gebäuden. Neben der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer gibt es auch noch die technische Restnutzungsdauer. Die technische Restnutzungsdauer bezieht sich auf die Zeitspanne, in der ein Gebäude technisch funktionsfähig und sicher nutzbar ist.

In der Praxis ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer häufig kürzer als die technische, da sie von mehr variablen Faktoren, wie zum Beispiel der Marksituation, beeinflusst wird. Auch eine veraltete Infrastruktur, eine geringe Energieeffizienz oder steigende Instandhaltungskosten können dazu führen, dass ein Gebäude zwar technisch noch nutzbar ist, eine Vermietung oder Verpachtung aber wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheint.

Vermieter sollten die Restnutzungsdauer ihrer Immobilien kennen

Die Restnutzungsdauer ist vor allem für Investoren, Käufer und Verkäufer von großem Interesse. Die Restnutzungsdauer beeinflusst nicht nur den Verkaufspreis, sondern auch die Attraktivität der Immobilie für potenzielle Käufer. Ist die verbleibende Restnutzungsdauer gering, sinkt der Wert des Gebäudes. Banken passen die Kreditlaufzeit oft an die Restnutzungsdauer an und bevorzugen eine vollständige Tilgung innerhalb dieser Zeit. Eine kurze Restnutzungsdauer kann zu schlechteren Kreditkonditionen führen.

Aber: Es wäre falsch, in einer kurzen oder verkürzten Restnutzungsdauer nur einen Nachteil zu sehen. Der Immobilienexperte André Heid sagt: „Wenn Ihre Immobilie bereits vor Ablauf der Restnutzungsdauer stark abgenutzt und nicht modernisiert ist, lohnt es sich, über ein Restnutzungsdauer-Gutachten nachzudenken. Durch die Verkürzung der Restnutzungsdauer können Sie unter Umständen steuerliche Vorteile erzielen.“

Dahinter steckt ein legaler steuerlicher Clou: „Eine kürzere Restnutzungsdauer führt zu einer Verkürzung des sogenannten AfA-Zeitraumes. So können höhere jährliche Abschreibungsbeträge erzielt werden. Besonders für Eigentümer von vermieteten oder gewerblich genutzten Immobilien kann dies kurzfristig steuerliche Vorteile mit sich bringen.“, erklärt Heid.

Kürzere Restnutzungsdauer: steuerliche Vorteile, aber eventuell verschlechterte Zinskonditionen

Doch bevor die Restnutzungsdauer „freiwillig“ verkürzt wird, sollten sich Betroffene die möglichen Nachteile vor Augen führen: Eigentümer und Käufer können durch kurze Restnutzungsdauern benachteiligt werden, da sie höhere Abschreibungen zwar steuerlich nutzen können, aber auch mit einem geringeren Marktwert und potenziell schlechteren Finanzierungskonditionen konfrontiert sind.

Damit die AfA verkürzt werden kann, muss das Gebäude festgelegte Voraussetzungen erfüllen. Das Bundesfinanzministerium erklärt in einem Schreiben vom 22. Februar 2023, welche Rechtfertigungsgründe für eine verkürzte AfA gelten und wie diese nachzuweisen sind.

Immobilien, die zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht zu Wohnzwecken dienen, müssen eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer von weniger als 25 Jahren aufweisen, wenn der Bauantrag zwischen 1. April 1985 und 31. Dezember 2000 gestellt wurde. Bei neueren Gebäuden in Firmeneigentum gilt es, eine Restnutzungsdauer von 33,33 Jahren zu unterschreiten.

Bei Immobilien, die diese Kriterien nicht erfüllen – also hauptsächlich Wohngebäude in Privateigentum –, gelten nach Angaben von Immobilienprofi André Heid folgende Maßstäbe: „Wurde das Haus vor 1925 fertiggestellt, muss die Restnutzungsdauer weniger als 40 Jahre betragen, um eine verkürzte Abschreibungsdauer zu beantragen. Für Häuser, die zwischen 1925 und 2022 errichtet wurden, muss die Restnutzungsdauer 50 Jahre unterschreiten. Für Immobilien, die ab 2023 fertig gebaut wurden, lohnt sich der Versuch einer höheren jährlichen Abschreibung nur bei einer Restnutzungsdauer von unter 33,33 Jahren.“

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