Wie Schulhund Nuri Kinder motiviert

Wo gibt es denn so etwas? Schüler, die den Klassenraum blitzblank putzen. Freiwillig und mit Freude. Mädchen und Jungen, die sämtliche Brotdosen wegpacken, Papier in den Müll werfen, Krümel aufsammeln, den Boden nach winzigen Büroklammern absuchen und die noch nicht einmal ein Stück Radiergummi liegenlassen. Wenn Lehrerin Kirsten Hader mit ihrem Hund Nuri in die Klasse kommt, dann ist alles picobello. Sogar ein Topf mit frischem Wasser steht bereit. Der Vierbeiner ist ausgebildeter Schulhund an der IGS Zeven und schafft mit Leichtigkeit, dass Schule Spaß macht.

Schulhund Nuri ist bereit für die Arbeit. Nach den Sommerferien beginnt er zusammen mit einer 5. Klasse den Unterricht in der IGS Zeven.

Schulhund Nuri ist bereit für die Arbeit. Nach den Sommerferien beginnt er zusammen mit einer 5. Klasse den Unterricht in der IGS Zeven. Foto: Saskia Harscher


„Psst, leise, Nuri ist da.“ Kirsten Hader lacht, wenn sie davon erzählt, wie die Schüler sich gegenseitig ermahnen, wenn es zu laut wird in der Klasse. Erstaunlich. Allein durch seine Anwesenheit bewirke ihr Hund bereits, dass eine angenehme Stimmung im Klassenraum herrsche, sagt sie. Regelmäßig kommt die Lehrerin mit ihrem vierbeinigen Begleiter in die Schule. Aktuell unterstützt Nuri sie noch in einer zehnten Klasse. Nach den Sommerferien soll es eine Hundeklasse an der IGS geben. Die erste in der Samtgemeinde Zeven. Schüler des kommenden fünften Jahrgangs werden dann nicht nur Kirsten Hader regelmäßig Hallo sagen, sondern auch Nuri. Durchgehend, bis zur Klasse zehn, sollen die Mädchen und Jungen dann mit Co-Lehrer Nuri unterrichtet werden. Nicht ständig, aber regelmäßig. Es soll feste Hundestunden geben. „Der Hund gehört in diese Klasse“, sagt Hader. Dass die Unterstützung durch Nuri den Schülern helfen wird, davon ist nicht nur sie überzeugt, sondern auch Stephanie Jordan, Didaktische Leiterin der Carl-Friedrich-Gauß-Schule. „Tiergestützte Pädagogik ist nicht nur für das Lernen, sondern auch für die Beziehungsarbeit sehr wichtig“, sagt sie. Die Idee, einen Schulhund in Zeven einzusetzen, habe es schon lange gegeben. „Aber“, schiebt Jordan nach: „er sollte auch wirklich pädagogisch eingebunden sein.“ Heißt: Nuri kommt nicht nur mit und läuft quasi neben seiner Besitzerin her, sondern er übernimmt einen aktiven Part im Unterricht und im Lernprozess. Nuri bringt Arbeitsmaterialien, holt sie wieder ab und animiert etwa über einen Würfel zur Lösung bestimmter Aufgaben. Hader merkt in der täglichen Arbeit, dass die Schüler aufmerksamer und fokussierter arbeiten und die Lernmotivation insgesamt steigt.

Lehrerin Kirsten Hader mit ihrem Hund Nuri.

Lehrerin Kirsten Hader mit ihrem Hund Nuri. Foto: Saskia Harscher

Auch an der KGS in Tarmstedt setzten sie auf vierbeinige Helfer. Gerrit Köcher, stellvertretender Schulleiter, erzählt, dass er seit 2008 an der Schule ist. Seitdem und auch schon davor habe man dort mit Hunden gearbeitet. Aktuell befindet sich ein Vierbeiner in der Ausbildung. Ein Zweiter ist angedacht. Dass die Beratungslehrerin mit ihrem Hund eine Schulhundausbildung macht, freut Köcher besonders. Gerade Kinder mit Bindungsproblematiken würden durch ein Tier ganz anders zugänglich und erreichbar, ist er überzeugt.

Diplom-Biologin sieht den positiven Effekt von Hunden auf Schüler

Den positiven Effekt von Hunden auf Schüler unterstreicht auch Hundeausbilderin Uta Kielau. Die Diplom-Biologin bildet seit zwölf Jahren Hunde aus und kennt das Lehrerin-Hund-Duo aus Zeven sehr gut. Ein Jahr lang hat sie die beiden ausgebildet. „Das Interesse an Schulhunden nimmt definitiv zu“, sagt sie. Aber: Die Zahl der Schulhunde ist nicht gut erfasst. So gebe es Vereine, die ausbilden, private Anbieter und viele, „die ihre Hunde einfach so mit in die Schule nehmen und sie Schulhund nennen“.

Insgesamt ist das ein Markt, der noch sehr unkontrolliert ist, stellt die Fachfrau fest. Sie wünscht sich klare Vorgaben, grundlegende Ausbildungspläne und die Definition gültiger Qualitätskriterien in der Schulhundausbildung.

Kirsten Hader achtet darauf, dass Schulhund Nuri genau weiß, was ihn in der jeweiligen Situation erwartet. Der Hund werde nie in eine Situation geschickt, die für ihn unübersichtlich sei. Wenn Nuri komme, gelten klare Regeln. Übrigens nicht nur für die Schüler. Auch für die Kollegen heißt es: Finger weg, wenn Nuri sein orangefarbenes Dreieckstuch trägt. „Ich arbeite“, steht darauf. Für die Lehrer auf zwei Beinen bedeutet das, den Hund nicht zu stören. Nuri ist ein sehr freudiger Lehrer, sagt Kirsten Hader. Er nimmt nichts krumm und jeden so, wie er ist. Wer Nuri an seinem Arbeitsplatz sehen und hören möchte, wie der Vierbeiner die Schüler beim Lernen motiviert, der braucht nur den QR-Code auf dieser Seite zu scannen und kann dann ein Video anschauen.

Kann jeder Hund ein Schulhund sein?

Hundetrainerin Uta Kielau aus Büchen sagt: Die körperlichen Voraussetzungen müssen stimmen. Ein Hund im Schuleinsatz muss schmerzfrei sein. Er darf keine schwerwiegenden gesundheitlichen wie körperlichen Probleme haben. Kielau spricht sich gegen den Einsatz von sogenannten Qualzuchten aus, also extrem kleinwüchsige Hunde (unter 5 Kilo), sehr krummbeinige oder extrem kurzköpfige Hunde. Zudem sollte der Hund nicht zu stark sabbern und pflegeleicht sein.

Eignen sich bestimmte Hunderassen?
Es kommt individuell auf jeden Hund an. „Ich da vorsichtig mit den Rassen“, sagt Kielau und schiebt nach: „Wenn Sie bei Züchtern auf die Homepage gucken, dann sind die alle schulhundtauglich.“ Dem sei jedoch nicht so. Für die Expertin ist weniger der Stammbaum wichtig, sondern die Aufzucht. So könne ein „Mischling vom Bauernhof“ der perfekte Schulhund sein, während ein Labradoodle aus Therapie-Hundezucht völlig ungeeignet sein könne. „Man muss lieber nach einem einzelnen Hund schauen“, sagt Kielau. Es komme auf eine gute Ausbildung an und auf ein gutes Team. „Wir müssen die Hunde in der Ausbildung kompetent machen, dass sie diese Aufgabe bewältigen können.“

Wie lange dauert die Ausbildung und was ist wichtig?

„Bei mir ein Jahr“, sagt Kielau. Alles darunter empfiehlt sie nicht. Allerdings weiß sie, dass es Anbieter gibt, die behaupten, einen Schulhund in drei Tagen ausbilden zu können, andere bieten ein Fernstudium zur Schulhundausbildung in der Schweiz an und wieder andere gibt es, die sogar ohne Hund ausbilden. „Dann sind Sie Schulhundführer ohne Hund“, sagt die Expertin und ergänzt: „Es gibt da sehr wirre Sachen.“ Kielau empfiehlt, die Ausbildung durch Fachleute machen zu lassen: mit jemandem aus dem Schulwesen, mit jemandem aus dem medizinischen Bereich für den hygienischen Teil sowie ein kompetenter Hundetrainer. „Also nicht jemand, der irgendwo mal eine Welpenspielstunde geleitet hat.“

Wer bezahlt die Ausbildung?

Jeder muss sein eigenes Konzept finden. Es gibt kein einheitliches Förderkonzept. An einigen Schulen übernimmt der Schulförderverein die Kosten, an anderen wird die Ausbildung durch Projektmittel der Schulen bezahlt oder aus dem Schulbudget. Manchmal zahlen die Lehrer die Hälfte oder auch den kompletten Betrag. Kielau sagt: „Es ist absolut individuell und es ist fast jedes Mal eine Schwierigkeit.“

„Nuri apport“, auf dieses Kommando bringt Schulhund Nuri den Schülern Arbeitsunterlagen oder verteilt Aufgaben.

„Nuri apport“, auf dieses Kommando bringt Schulhund Nuri den Schülern Arbeitsunterlagen oder verteilt Aufgaben. Foto: Saskia Harscher





Saskia Harscher

Reporterin

Saskia Harscher ist im Landkreis Rotenburg aufgewachsen. In Bremen hat sie Politikwissenschaften studiert. Sie arbeitet seit 2019 in der Redaktion der ZEVENER ZEITUNG. Dort ist sie stellvertretende Leiterin und zuständig für die Berichterstattung aus der Samtgemeinde Tarmstedt.

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