Resolute Witwe warnt: So betrügen Liebes-Schwindler in Facebook

Wer in Facebook ist, kennt sie: Nachrichtenanfragen von wildfremden Menschen. Fast immer stecken Betrüger dahinter, die rasch Liebe vorgaukeln, in Wahrheit aber nur abkassieren wollen. Eine couragierte Witwe aus dem Kreis Cuxhaven ließ sich zum Schein darauf ein, dokumentierte für alle Frauen den Ablauf. Ihre nervenstarke Aktion erhellt die perfide Strategie der schäbigen Liebes-Schwindler.

Elke Wendelken (69) aus Langen wusste sofort: Der Mann, der bei ihr via Facebook anklopfte, ist ein Liebes-Betrüger. Zum Schein ging sie auf sein Werben ein.

Elke Wendelken (69) aus Langen wusste sofort: Der Mann, der bei ihr via Facebook anklopfte, ist ein Liebes-Betrüger. Zum Schein ging sie auf sein Werben ein. Foto: Arnd Hartmann


Kurz vor Weihnachten bekommt Elke Wendelken (69) aus Langen unerwarteten Herrenbesuch. Per Internet. Ein blendend aussehender Mann namens Richard Alex klopft bei ihr an, via Nachrichtenanfrage im Facebook-Messenger.

Mehr als ein "Hallo" bringt der fesche Kerl nicht heraus, aber wer so gut aussieht, muss nicht viel reden. Der Mann im besten Alter könnte der junge Bruder von Sky Du Mont sein, und auch sein Facebook-Profil kann sich sehen lassen: Er hat in Princeton studiert, liebt Reisen und Investieren. Und er ist Witwer.

Richard gleich durchschaut

Auch Elke Wendelkens Partner ist vor einigen Jahren gestorben. Aber sie ist lebenstüchtig, und auch digital fit: Alexa gehorcht ihr aufs Wort, sie beherrscht iPhone, iPad und PC. Und die resolute Dame weiß sofort: Der smarte Richard wird in Wirklichkeit völlig anders heißen und nur ihr Geld wollen.

Seit sie eine Dokumentation im Fernsehen über solche Betrüger gesehen hat, kennt sie den Hintergrund dieser Anfragen - die so gut wie jeder bekommt, der in sozialen Netzwerken ist. Frauen wie Männer. (Mehr dazu im Text unten.)

Bewusst mal geantwortet

Diesmal aber löscht die ehemalige Fernmeldetechnikerin die suspekte Anfrage nicht, sondern sie antwortet. Nicht in einem Moment der Schwäche, sondern bewusst. Elke Wendelken berichtet NORD|ERLESEN, warum: "Ich wollte herausfinden, wie diese Betrüger vorgehen. Wie weit sie gehen. Und wann sie damit rausrücken, dass sie Geld wollen."

Von Anfang an behält sie die Führung: "Hallo und gute Nacht!", speist sie den schönen Mann ab. Der spinnt den Faden nach ein paar Stunden weiter. Der Google-Übersetzer hilft ihm, bei Sätzen wie diesen: "Es ist schön, Sie hier auf Facebook zu haben. Mein Name ist Richard, was ist mit Dir?"

15 Tage geschrieben
Ein stattlicher Mann im besten Alter, Akademiker, Witwer - mit solchen gefälschten Facebook-Profilen wie dem des angeblichen Richard Alex gehen Liebesbetrüger im Internet auf die Jagd nach einsamen Frauen, die sie ausplündern wollen. Die Spuren zu den Tätern führen oft nach Ghana und Nigeria.

Ein stattlicher Mann im besten Alter, Akademiker, Witwer - mit solchen gefälschten Facebook-Profilen wie dem des angeblichen Richard Alex gehen Liebesbetrüger im Internet auf die Jagd nach einsamen Frauen, die sie ausplündern wollen. Die Spuren zu den Tätern führen oft nach Ghana und Nigeria. Foto: Screenshot Facebook

15 Tage schreibt der vermeintliche Witwer aus Jersey City bei New York der Witwe aus Langen bei Bremerhaven. Ihren Wohnsitz verlegt sie für den Fremden nach Hamburg, auch sonst gibt nichts von sich preis. Sie legt den Mann rein, der sie reinlegen will.

Hier Auszüge aus den Chats:

Tag 1: Richard verrät: Ich bin 60, und wenn ich in Rente bin, will ich "in Deutschland investieren". Er ist angeblich "ein Arzt vom US-Militär", "im Jemen wegen einer Friedensmission". Ungefragt erfährt Elke, wie Richard seine Frau verlor: Vor sechs Jahren wurde sie von einem Auto angefahren. An ihrem Geburtstag! Seine Tochter (15) musste ins Internat.

Tag 2: Um 6.04 Uhr schickt Richard rote Rosen. Digital, aber prachtvoll. Elke liest: "Ich hoffe, dass Ihr Tag mit unzähligen Momenten der Freude gefüllt ist." Elke hält den Rosenkavalier auf Abstand: "Bin auf Reisen."

Tag 3: Der Schöne wünscht "ein farbenfrohes Weihnachtsfest". Hartnäckig spricht er sie mit "mein Lieber" an.

Tag 4: Richard traut sich was: "Guten Morgen, mein Lieber, wie war Deine Nacht?" Und er fragt fortan ausdauernd, was es denn zum Essen gab. Morgens, mittags, abends.

Tag 5: Der elegant Ergraute möchte "dieses Gespräch gerne auf WhatsApp fortsetzen". Das gehört zur Taktik: Richard will vermeiden, dass sein gefälschtes Profil von Facebook gesperrt wird. Dann wäre sein Draht zu Elke gekappt. Die will ihm aber keine Kontaktdaten geben, berichtet von einem nahenden neuen Handy mit anderer Nummer, "hat zur Zeit gar kein WhatsApp".

Tag 6: Richard robbt sich ran: "Für welche Dinge fühlst du dich leidenschaftlich?" Elke bleibt cool: "Tanzen nach schöner Musik!"

Tag 7: Richard freut sich, dass er "nur noch ein paar Monate" im Kriegsgebiet bleiben muss. Dann ab nach Deutschland, "investieren". Elke redet ihm ins Gewissen: "Du musst doch mal Urlaub haben, um Deine Tochter wieder zu sehen." Urlaub? Richard greift zu. Er gaukelt Elke vor, dass er beim Militär selbst keinen Urlaub beantragen kann, "nur ein Freund und ein Familienmitglied", aber seine Tochter sei zu jung dafür. Er weiß aber Rat: "Du kannst mich für meinen Urlaub bewerben" - bei seinem General, Mailadresse "gen.johnwilliams3@gmail.com".

Tag 8: Elke entwirft ein Urlaubsgesuch, schickt das Mail aber nicht ab. Der per Screenshot übermittelte Text überzeugt Richard vollends von Elke: "Ich werde den Rest meines Lebens gerne mit Dir verbringen."

Tag 9: Richard schreibt Elke erstmals die drei magischen Worte: "Ich liebe Dich." Elke reagiert weiblich-praktisch: Ich hoffe, "dass Deine Tochter mich auch mag".

Tag 10: Richard fragt beharrlich nach dem Mail - er will Elkes Mailadresse haben. Die tut so, als sei sie vom Digitalen überfordert. Alex reagiert nachsichtig: "Ich liebe Dich, meine Königin!"

Tag 11: Richard findet: "Unter allen Frauen dieser Welt bist du Gottes bester Entwurf." Nur das Mail fehlt immer noch zu seinem Glück.

Tag 12: Richard entschuldigt sich mit roten Rosen dafür, dass er seiner Liebe keine Gute Nacht gewünscht hat: "Wir hatten Stromausfall." Elke: "Bei uns kommt es auch schon mal vor."

Tag 13: Richard schickt einen Urlaubsantrag, den sie ausfüllen soll. Wieder ein Versuch, an Daten von Elke zu kommen. Er assistiert bei der Übersetzung: Sie ist jetzt seine Verlobte, und Grund des Urlaubs ist "Familien- und Eheplanung".

Tag 14: Richard schickt eine Art Preisliste für seinen Urlaub. Laut General Williams kann der Arzt für 6000 Euro drei Monate gehen, für 10.000 Euro sechs Monate, für 18.000 Euro ein ganzes Jahr. Der General garantiert Elke, dass ihr das Geld von der Army erstattet wird. Der schöne Richard findet: "Sechs Monate wären besser." Und er übermittelt Zahlungsmodalitäten.

Tag 15: Aus der vermeintlichen schwachen Elke wird wieder die resolute Elke Wendelken. Und die schickt Richard Alex statt ihres Geldes harsche Worte: "So, Herr Doktor! Das Spiel ist aus. Es gibt kein Geld für Eure Verbrecherbande. Interpol ist eingeschaltet, und Eure Mailadressen werden schon bearbeitet. Man wird Euch bekommen. In Deutschland werden Warnungen an alle Frauen rausgegeben. Eure Masche wird nicht mehr funktionieren. Macht Euren Verbrecherladen zu!"

Profil danach rasch gelöscht

Minuten später wird das Facebook Profil des schönen Witwers gelöscht - wahrscheinlich von Ghana oder Nigeria aus.

Eine Woche nach dem Ende des doppelt falschen Spiels spricht Elke Wendelken mit NORD|ERLESEN, geht noch einmal durch den gesamten Chat. An einigen Stellen muss sie lachen, öfter aber ist sie wütend. Wegen der Dreistigkeit der wahrscheinlich wechselnden Männer hinter Dr. Richard Alex, die meinten, leichtes Spiel mit einer einsamen Witwe in Deutschland zu haben.

NORD|ERLESEN recherchierte: Den schönen Herrn, mit dessen Foto die Betrüger Elke Wendelken reinlegen wollten, gibt es wirklich: Er heißt Timothy Conner, ist Makler in Florida und nebenbei Fotomodell. Sein Instagram-Auftritt zeigt, dass er verheiratet ist. Conner (62) thematisiert dort auch offen, dass sein Foto immer wieder im Netz gestohlen wird, es für digitalen Liebes-Betrug einzusetzen.

NORD|ERLESEN recherchierte: Den schönen Herrn, mit dessen Foto die Betrüger Elke Wendelken reinlegen wollten, gibt es wirklich: Er heißt Timothy Conner, ist Makler in Florida und nebenbei Fotomodell. Sein Instagram-Auftritt zeigt, dass er verheiratet ist. Conner (62) thematisiert dort auch offen, dass sein Foto immer wieder im Netz gestohlen wird, es für digitalen Liebes-Betrug einzusetzen. Foto: Screenshot Instagram

Die Dame, die ihr Leben gut im Griff hat, ist aber auch froh, das Spiel durchgezogen und immer die Kontrolle über Richard und sein Treiben gehabt zu haben. Anhand des Ablaufs möchte sie alle Frauen davor warnen, nie auf solche digitalen Avancen reinzufallen: "Am Ende wollen die nur Geld."

Sein Bild wird oft missbraucht

Und wer ist der schöne Mann auf dem Foto, mit dem die Betrüger operierten? NORD|ERLESEN hat ihn via Web gefunden: Er heißt Tim Conner, ist Immobilienmakler in Fort Lauderdale (Florida), modelt nebenbei. Er ist glücklich verheiratet, hat zwei Kinder.

Conner muss seit Jahren ertragen, dass Bilder von ihm immer wieder dafür missbraucht werden, um Frauen die große Liebe vorzugaukeln und sie am Ende auszunehmen oder zumindest zu beschämen. Auf Instagram warnt deshalb auch er: "Please be careful on social media."

Kapitel 1

Das ist die schäbige Strategie der Liebes-Betrüger

Love Scam (englisch für Liebes-Betrug) wird die Masche genannt, bei der Täter via Internet Frauen oder Männern Liebe vorgaukeln, in Wahrheit aber ihr Geld wollen.

Polizeiexperten gehen davon aus, dass sich Banden auf die digitale Form des Liebes-Betruges spezialisiert haben. Frauen werden meist von Ghana oder Nigeria aus umgarnt, Männer oft aus Osteuropa.

Der Ablauf ist standardisiert:

Stufe 1: Die Täter kontaktieren mögliche Opfer über Netzwerke wie Facebook oder Partner-Portale. Ein häufiger Weg ist die Nachrichtenanfrage via Facebook-Messenger. Die Unbekannten sehen auf ihrem Profilfoto attraktiv aus – in der Regel ist es im Internet gestohlen worden. Die anklopfenden Frauen sind meist jung, Männer meist im besten Alter. Anfangs investieren sie nur wenige Worte: „Hallo“, „Guten Abend“, „How are you“.

Stufe 2: Wer antwortet, bekommt überraschend schnell Interessantes geschrieben. Immer sind die Unbekannten angeblich Single – obwohl sie so gut aussehen. Die Frauen suchen die große Liebe, die Männer haben oft interessante Berufe: Arzt, Soldat, Geschäftsmann. Oft geben sie sich als Nordamerikaner aus, vielfach sind sie im Ausland im Einsatz.

Digitale Rosen, täglich neue Liebesschwüre und immer wieder Fragen nach dem Geld: So wollten die Liebesbetrüger Elke Wendelken umgarnen und übers Ohr hauen.

Digitale Rosen, täglich neue Liebesschwüre und immer wieder Fragen nach dem Geld: So wollten die Liebesbetrüger Elke Wendelken umgarnen und übers Ohr hauen. Foto: Screenshot Facebook

Stufe 3: Wer dranbleibt, bekommt bald eine rührende Geschichte übermittelt. Die Frauen sind oft geschlagen worden oder Vollwaise, die Männer sind meist verwitwet oder verlassen worden. Immer checken sie durch Fragen ab, wie das Gegenüber lebt. Die Betrüger suchen Singles, vor allem einsame Herzen. Die Banden sind im Schichtsystem organisiert, arbeiten rund um die Uhr, wechseln sich bei der Betreuung ihrer Opfer ab. Übersetzungsprogramme überwinden die Sprachgrenzen.

Stufe 4: Die Fremden bauen das Chatten zur bereichernden Gewohnheit aus. Sie melden sich täglich. Spätestens jetzt wollen sie ihr Opfer auf andere Kanäle wie WhatsApp oder Mail rüberziehen – weil sie immer befürchten müssen, von der Plattform des Erstkontakts entdeckt und gesperrt zu werden.

Stufe 5: Aus dem Geplauder über Sehnsucht und Glück wird Romantik, dann angebliche Liebe: Aus „Hallo“ wird „Darling“, erste Herzchen werden geschickt, bald auch Liebesschwüre – gefolgt von dem Wunsch nach einem Treffen und einer gemeinsamen Zukunft.

Stufe 6: Plötzlich gibt es Probleme, die dem gemeinsamen Glück im Wege stehen: Ein lieber Angehörige braucht eine teure Operation, es gab einen kostenträchtigen Unfall oder gar Überfall, die Papiere werden nicht fertig, Vorgesetzte verweigern den Urlaub, bei Geschäftsleuten bleiben Waren im Zoll hängen. Alles ist erfunden – und soll nur eine finanzielle Klemme vorgaukeln, aus der nur der Schatz in der Ferne heraushelfen kann

Stufe 7: Wer mit der Zahlung zögert, wird bearbeitet. Liebesschwüre, schlechtes Gewissen machen, Druck – die Banden wissen, was bei wem zieht. Wer sich weigert, wird abgeschaltet. Und wer zahlt, muss lernen: Es folgen weitere Geldnöte. Das Opfer wird so lange ausgeschlachtet, bis es nicht mehr zahlen kann oder mag. Am Ende ist das Geld fort, und die Betrogenen ringen mit Wut und Scham.

Dunkelziffer ist hoch

Die Polizei zählt „Love Scam“ zu den vielfältigen Formen des Internetbetruges, weist den digitalen Liebes-Betrug in ihrer Statistik nicht gesondert aus. Gelegentlich ermittelte Zahlen lassen aber ahnen, wie rege die schäbigen Romeos und Julias der Neuzeit sind: In Sachsen wurden 2017 angezeigte 181 Fälle gezählt, in Bayern 2020 gar 550 Fälle, mit einem Schaden von neun Millionen Euro. Die Dunkelziffer wird noch viel höher sein – wegen der Scham der Opfer.

Weiterführende Links

  • Eine Beratungsseite der Polizei zum Liebes-Betrug im Internet.
  • Realfakes.net informiert darüber, wie Betrüger im Netz arbeiten, was Betroffene und Besorgte tun können, wie man sich schützen kann und welche Recherchemöglichkeiten es gibt.
  • Auf dem Forum Romance, Scam & Baiting tauschen sich Betroffene und Jäger der Betrüger aus.
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