Längst hat Secondhand-Kleidung ihr Image des übelriechenden Shirts mit Mottenlöchern abgelegt. Vintage- und Secondhand-Shopping liegt mehr denn je im Trend und schont das Portemonnaie. Der nachhaltige Gedanke kommt vor allem bei der jungen Generation gut an.
Nun wurden die Top 10-Städte veröffentlicht, in denen Secondhand-Shopper so richtig auf ihre Kosten kommen. Die Liste wird angeführt von Copenhagen (Dänemark), direkt vor Riga (Lettland). Wer in einer der Top-Städte für Schnäppchenjäger einkaufen will, muss allerdings eine längere Einreise in Kauf nehmen, denn deutsche Städte sind nicht in den Top 10 zu finden. Wer allerdings nicht so weit reisen möchte, wird auch in Bremerhaven fündig: Von teuren Marken, Kostümen bis hin zu Brautkleidern – in diesen vier Geschäften lassen sich wahre Schätze entdecken.
"Das Sparschwein"
80er-Jahre-Hits laufen im Laden von Andrea Calp. Das Sparschwein ist wohl einer der ersten Namen, der Bremerhavenern einfällt, wenn es um Secondhand-Mode geht. Vor 30 Jahren hat Calp ihren ersten Laden eröffnet. Damals noch versteckt in einem Hinterhof, seit 2008 mitten auf der Hafenstraße. „Damals war es vielen Menschen unangenehm, Secondhand-Mode zu kaufen. Es war verpönt, als etwas, dass nur Menschen tragen, die kein Geld haben“, erinnert sich die 62-Jährige. Schon damals war ihr Publikum aber divers, genau wie heute kommen Menschen aus allen Schichten, auch Besserverdiener zu ihr. „Wir haben auch Ärzte dabei, die sich zum Beispiel über einen günstigen Hugo-Boss-Anzug freuen.“

Das Sparschein in der Hafenstraße bietet gebrauchte Textilien von Schuhen bis Bettwäsche für den kleinen Geldbeutel an. Inhaberin Andrea Calp, seit dreißig Jahren Inhaberin des Geschäfts, berät ihre Kunden gern. Foto: Arnd Hartmann
Auf 300 Quadratmetern ist alles nach Farbe, Größe oder Stil sortiert. Baumwollblusen, Strickware, Lederjacken, Levis-Jeans, Sportschuhe, Bettwäsche – das Sortiment ist so vielfältig wie die Kunden, die hier einkaufen.
Anders als bei anderen Secondhand-Geschäften kommt die Ware von einem Großhandel, Calp nimmt keine privaten Spenden an.
Im hinteren Teil des Ladens fällt ein Bereich besonders ins Auge. Hier hängen bunte Muster, Samt-Jacketts oder Petticoat-Röcke. „In unserer Nostalgie-Ecke haben wir Vintage-, 60er-, 70er-, 80er- oder 90er-Jahre-Teile“, erklärt die Inhaberin. Schüler oder Studenten schauen sich hier gerne um. „Die Teile bleiben nicht lange hängen, das geht hier weg wie geschnitten Brot.“
Egal ob Kostümparty, Alltag oder Theaterstück, die Teile aus dem Sparschwein finden unterschiedlichste Verwendung. Die Preisspanne liegt zwischen einem bis zehn Euro, einige Marken-Stücke können auch teurer sein und liegen zwischen 30 und 50 Euro.
Etwa eine Woche bleibt ein Kleidungsstück im Laden, dann wird es reduziert, und falls es dann nicht verkauft wird, wird es gespendet. Nachhaltigkeit spielt für Calp eine große Rolle. „Auch ist die Qualität von Secondhand besser als vieles, was man neu kauft.“ Ältere Marken-Kleidung sei teilweise besser verarbeitet, weil die Langlebigkeit im Vordergrund stand. Heute könnte man ihrem Eindruck nach vieles, was man neu kaufe, nach kurzer Zeit wieder entsorgen. Für eine Modeberatung stehen eine ihrer vier Aushilfen, eine Festangestellte oder sie selbst immer gerne zur Verfügung. „Wir haben hier auch immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.“
"Frauenpower"
Viele Frauen laufen draußen vorbei, bleiben stehen und kommen mit einem Teil in den Laden, um zu fragen, ob der Preis wirklich stimmt. Nach Verwunderung setzt oft die Neugierde ein und es wird sich erst einmal ausgiebig im Frauenpower-Secondhand-Geschäft umgeguckt. Der ehemalige Pop-up-Store ist seit Februar fest in der Bürgermeister-Smidt-Straße. Janine Wagner versteht sich als „Tante Emma“ des Ladens und ist jeden Tag vor Ort. Unterstützt wird sie von acht weiteren Frauen. „Aber eigentlich kann man das gar nicht zählen, unser Netzwerk ist riesig“, sagt Wagner.

Im Frauenpower-Secondhand Geschäft hat immer ein Janine Wagner immer offenes Ohr für ihre Kundinnen. Hier findet sich klassische Damenmode zum kleinen Preis. Foto: Hanke
Dank ihres Netzwerkes bekommen sie die vielen aussortierten Kleidungsstücke, die hier im Laden hängen. Von großen Modeketten bis hin zu teuren Marken ist einiges dabei. Dort kostet eine Jeans mal 3,50 Euro, an einer Stange weiter hängt ein Seidenkleid für 50 Euro. Die Damenmode spricht Jung und Alt an. Auch Jelena Werner ist schon öfter hier gewesen. Die 21-Jährige kauft inzwischen fast alles gebraucht: „Ich finde es super, dass man so ungewöhnliche Teile findet. Es ist auch besser für die Umwelt.“ Der 21-Jährigen aus Bad Bederkesa ist es wichtig, dass Kleidung einen langen Lebenszyklus hat.
Draußen vor der Tür steht eine „Zu-Verschenken-Kiste“, die laut Wagner alle zehn Minuten leer ist. An der Kasse hat sie eine Tüte mit Kleidung, die nicht verkauft wurde, mit der sie dann die Kiste befüllt. „Hier wird nichts weggeschmissen.“ Manche Teile gehen an eine Schneiderin, die die Stoffe dann wieder verwertet.
Im Geschäft lassen sich Frauen gerne beraten. Komplimente fallen, man kommt ins Gespräch. Wagner hat immer ein offenes Ohr bei Problemen. Menschen Aufmerksamkeit zu schenken, bereit ihr große Freude.
"Second Heaven"
Immer öfter ähneln Secondhand-Shops gehobenen Boutiquen. So auch „Second Heaven“, das Geschäft von Marion Bothe-Oft in der Mühlenstraße. An der Decke hängt ein Kronleuchter, die Kleiderstangen werden gehalten von weißen Säulen, es ist geräumig und ordentlich. Im Schaufenster trägt eine Puppe ein pink-graues T-Shirt-Kleid von Marc Cain.

Immer häufiger ähneln Secondhand-Läden edlen Modeboutiquen. Das Secondheaven setzt auf besonders hochwertige Marken. Foto: Hanke
Bothe-Oft sucht sorgfältig die Einzelstücke aus, die Privatpersonen bei ihr abgeben. Sie freue sich jedes Mal wieder über eine neue „Wundertüte“, wie sie es nennt, und darauf, gemeinsam die Kleidungsstücke zu bewerten. „Zusammen mit dem Kunden überlege ich dann für jedes Teil einen Verkaufspreis. Der wird dann zur Hälfte geteilt“, erklärt die Inhaberin, die vor sieben Jahren ihr Geschäft eröffnete. Die Preise liegen für die gebrauchte Luxuskleidung zwischen 18 und 200 Euro. Das, was sie nach zwei Monaten nicht verkauft, gibt sie wieder an die Kunden zurück.
Bothe-Oft hat eine Leidenschaft für Mode. Auf Mallorca hatte sie bereits für mehrere Jahre ein Secondhand-Geschäft. Um ihre Mutter zu pflegen, kam sie wieder zurück nach Bremerhaven. Durch ihre Arbeit habe sie schon viele Bekanntschaften geschlossen.
„In den großen Geschäften werden viele nicht mehr so freundlich behandelt“, erzählt Bothe-Oft. Immer wieder würden sich Kunden bei ihr für die Beratung bedanken.
"Sonnenblume Kleiderbörse"
Etwas Zeit sollte man für die Kleiderbörse der Sonnenblume in Leherheide einplanen. In den drei kleinen Räumen und im Flur hängen Kleidungsstücke bis unter die Decke. Bei genauerem Suchen entdeckt man auf den knapp 120 Quadratmetern wahre Schätze. Herren-, Damen- oder Kindermode sind sorgfältig sortiert.

Herren-, Damen- oder Kindermode findet man in der Kleiderbörse der Sonnenblume von Cornelia Rönnefahrt. Foto: Hanke
Ab einem bis 40 Euro werden Teile von bekannten Markenketten bis hin zu hochwertigen Luxus-Marken verkauft. Besonders ihre Abendmode sei bei Schülerinnen beliebt. „Wenn der Abiball ansteht, kaufen hier viele ihr Abendkleid“, so die 72-Jährige. Sogar Brautkleider sind in ihrem Fundus zu ergattern. „Manchmal haben wir eines dabei, weil eine Hochzeit dann doch nicht stattgefunden hat.“ Rönnefahrt ist es wichtig zu betonen, dass die Kleiderbörse kein Flohmarkt ist. Den Preis zu verhandeln, ist hier ein Tabu.