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Wenn die Wut keinen Platz mehr für Sachlichkeit und Respekt lässt

Wie ist es um die Streitkultur in unserem Land bestellt? Sind wütende Bürger noch bereit, auf der Basis von Vernunft und Respekt zu diskutieren? Wo stehen hier Journalisten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich KZW-Reporter Detlef Glückselig.

Demo in Nordenham

Bei der Demo am Montag blockierten Trecker und andere Fahrzeuge die beiden äußeren Fahrstreifen der Martin-Pauls-Straße. Foto: Glückselig

Journalisten arbeiten unter einem Brennglas, immer wieder, täglich aufs Neue. Wenn wir unsere Arbeit gut machen, werden wir wahrgenommen. Wenn wir uns nicht scheuen, an der richtigen Stelle unbequem zu sein und den Finger in offene Wunden zu legen - das ist unser Job -, dann werden wir mitunter auch kritisiert.

Damit können wir gut umgehen. Wir nehmen Kritik an und nehmen sie uns zu Herzen. Und wir sind jederzeit zu einem konstruktiven Gespräch bereit, wenn jemand mit unserer Arbeit, mit dem, was wir schreiben, nicht einverstanden ist.

Wozu wir nicht bereit sind, ist, uns von pöbelnden Wutbürgern gängeln, zensieren und beleidigen zu lassen.

Am Montag bei der Kundgebung anlässlich des Besuchs von Wirtschaftsminister Robert Habeck in Nordenham drohte für einen kurzen Moment die Stimmung zu kippen. Wir haben das geschrieben. In wenigen kurzen Sätzen - und verbunden mit dem Hinweis, dass es dem Moderator schnell gelungen sei, zu schlichten.

Die Rede der grünen Bundestagsabgeordneten Christina-Johanne Schröder bei der Kundgebung wurde immer wieder von wütenden Zwischenrufen unterbrochen. Wir hätten auf das, was sich die Politikerin anhören musste, noch viel ausführlicher eingehen können, vielleicht sogar müssen. Denn es spricht Bände darüber, wie es aktuell um die Streitkultur in unserem Land bestellt ist; wie sehr wütende Bürger dazu bereit sind, Leuten zu applaudieren, die ihnen für komplexe Probleme vermeintlich ganz simple Lösungen anbieten; und wie wenig diese Bürger noch in der Lage sind, auf der Basis von Sachlichkeit, Vernunft und Respekt zu diskutieren.

Wir haben unseren Leserinnen und Lesern diese Details vorenthalten. Weil wir nicht wollten, dass durch die populistischen Äußerungen einiger Weniger eine komplette Protestaktion diskreditiert wird, die ansonsten völlig friedlich verlief und im Übrigen vorbildlich organisiert war.

Wir nehmen die Nöte der Bürgerinnen und Bürger in dieser von Krisen geschüttelten Zeit sehr ernst. Wir wären schlechte Journalisten, wenn wir das nicht täten.

Noch schlechtere Journalisten wären wir, wenn wir uns von Pöbeleien und Äußerungen in Whatsapp- und Facebook-Gruppen, die jeglicher Sachlichkeit entbehren, einschüchtern und uns den Mund verbieten ließen. Das werden wir nicht tun. Ganz sicher nicht.

Wenn die Wut keinen Platz mehr für Sachlichkeit und Respekt lässt
Detlef Glückselig

Redaktionsleiter

Er ist mit Leib und Seele Lokaljournalist. Seit 1984 berichtet er aus der Wesermarsch. Es sind die Menschen und ihre Geschichten, die ihn interessieren. Detlef Glückselig ist der Redaktionsleiter der Kreiszeitung.

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