Es gibt gute und schlechte Plätze in einem Fußballstadion, aber dieser Bereich des Bremer Weserstadions dürfte wohl zu den gefährlichsten in Deutschlands Arenen gehören. Auf der Westtribüne befindet sich im Oberrang der Gästeblock, darunter sitzen ganz normale Zuschauer. Und die mussten am Samstagabend während des Heimspiels des SV Werder Bremen gegen den FC Bayern München (1:2) gleich zwei Mal ihre Plätze räumen. Aus Sicherheitsgründen, weil Anhänger der Bayern über ihnen jede Menge Pyrotechnik zündeten. Nicht auszudenken, was passiert, wenn so eine Fackel runterfällt, die mehr als 1.000 Grad heiß werden kann. Kinder weinten, Familien suchten geschockt vorzeitig das Weite. Werder kennt das Problem, weist sogar mit Hinweiszetteln, die auf den Plätzen liegen, ausdrücklich darauf hin, verkauft aber dennoch weiter fleißig Tickets für den Bereich. Das sorgt bei den Käufern für jede Menge Unmut. „Ich dachte, die Zeiten, in denen man als Familie nicht zum Fußball gehen konnte, seien vorbei“, wundert sich Thomas Breuer aus Ganderkesee im Gespräch mit der „Deichstube“. Gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn saß er in Block 102 der Westtribüne - als gemischtes Trio.
Nach der Pause dürfen die Fans nicht wieder in den Block
Zwei Breuers sind Bayern-Fans, ein Herz schlägt grün-weiß. Doch nach der Pause war der Spaß vorbei. Weil es Hinweise gab, dass zum Wiederanpfiff Pyrotechnik im Gästeblock gezündet wird, griff das Sicherheitskonzept der Arena - und das sieht in diesem Fall eine Räumung des Bereichs darunter vor. Ein Einschreiten der Polizei direkt im Gästeblock ist zu gefährlich. Die Breuers durften nach ihrem Pausen-Imbiss also erstmal nicht zurück auf ihre Plätze. In der 52. Minute war der Spuk vorbei, alle konnten wieder rein. Doch nach dem 2:0 der Bayern in der 72. Minute brannte es oben erneut lichterloh, und wieder sollten alle raus, was diesmal nicht so reibungslos ablief. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen Zuschauern und Ordnungspersonal. „Wenn über dir Pyro gezündet wird, ist das kein schönes Gefühl. Es ist auch Asche heruntergerieselt. Wir haben schon Angst bekommen, vor allem unser neunjähriger Sohn. Er hat geweint und wollte nach der zweiten Räumung des Blocks nicht mehr rein. Deshalb sind wir gefahren“, berichtet Breuer.
„Es sind Teile von Bengalos runtergeflogen“
Ähnlich äußert sich auch eine Frau aus Bremen, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen wollte: „Während des Spiels sind immer wieder Teile der Bengalos runtergeflogen, weil die Gästefans die Netze durchgebrannt haben. Ich selbst war mit einem Zwölfjährigen da, für den das Spiel wegen der ganzen Sache irgendwann gelaufen war. Mehrere Kinder um uns herum haben angefangen zu weinen, so dass Familien vorzeitig gegangen sind.“ Sie hätte sich gewünscht, dass die Partie unterbrochen und notfalls abgebrochen worden wäre. Doch es gab nur Durchsagen, dass das Abbrennen von Pyrotechnik verboten und zu unterlassen sei. Wie schon so oft. Denn das Problem mit dem Gästeblock existiert seit Jahren. „Beim Heimspiel gegen Dortmund haben einige Gästefans sogar von oben runtergepinkelt. Ich verstehe einfach nicht, warum die Gäste nicht im Unterrang ihren Platz haben“, ärgert sich besagte Frau aus Bremen. Über eine Umsiedlung der Gästefans wurde schon oft diskutiert, doch dafür müsste Werder womöglich auf lukrative VIP-Logen verzichten.
Werder droht eine erhebliche Geldstrafe
Aktuell löst der Verein das Problem anders, was Thomas Breuer kaum glauben kann: „Uns hat sehr irritiert, dass auf unseren Plätzen schon Hinweiszettel lagen, dass der West-Unterrang ,aufgrund von gästebedingtem Fehlverhalten‘ geräumt werden könnte. Das hatte uns beim Kauf der Karten niemand gesagt. Das ist doch ein Familien-Block.“ In dem saßen Werder- und Bayern-Fans bunt gemischt - ohne Probleme, bis die Besucher über ihnen rücksichtlos ihr eigenes Ding durchzogen. Wie zu Spielbeginn übrigens auch die Werder-Ultras, die mit dem Abbrennen zahlreicher Rauchtöpfe die komplette Ostkurve einnebelten. Das ist nicht nur verboten, sondern auch gesundheitsschädlich und gefällt wahrlich nicht jedem Zuschauer in diesem Bereich. Werder wird dafür genauso wie der FC Bayern eine fette Strafe vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgebrummt bekommen. Nach dem Spiel wurden Bayern-Fans auf dem Rückweg Richtung Süden von der Polizei auf einem Parkplatz an der Autobahn 27 gestoppt. Die Beamten nahmen die Personalien von 380 Personen auf, teilte die Polizei mit. Offenbar auf der Suche nach den Tätern.
Am Montag verkündete Werder, den betroffenen Personen die Erstattung der Ticketkosten anzubieten. „Bei den betroffenen Reihen handelt es sich um die Reihen 17-24 in den Blöcken 100-108“, heißt es in der Mitteilung von Werder. Alle, die von der Teilräumung in der zweiten Halbzeit betroffen waren, sollen ihr Eintrittsgeld zurückbekommen. Das dürfte nicht nur Thomas Breuer freuen, der für das fast halb verpasste Spiel pro Ticket immerhin 43 Euro bezahlt hat. Eines weiß der Ganderkeseer ganz sicher: Sollte er noch mal ins Weserstadion kommen, wird er die Plätze unterhalb des Gästeblocks meiden.