Zum Verrücktwerden. Da schlag ich mich noch jeden Abend mit den Mückenbiestern in der Wohnung herum, auf dem Balkon blühen Lavendel und Geranien, die Heckenrosen tragen neben schrumpeligen Hagebutten noch neue Knospen - und die Zeit brüllt: Sonntag alle Uhren umstellen auf Winter!? Neinneinneinnein!! Ich rück‘ den Sommer noch nicht raus. Inhaliere Licht. Saufe Sonne. Meine innere Stimme flüstert verführerisch: Muss man denn immer mit der Zeit gehen? Die andere dahinter raunt: Jau. Stehenbleiben gilt nicht. „Augenblick, verweile doch, du bist so schön...“: „Faust“. Goethe. Kluger Kopf. Und doch: Das mit dem Schnappschuss für die Ewigkeit hat noch nie funktioniert - es sei denn, im Herzen. Darin ist zwischen allen anderen Zimmern auch mein restlos überfülltes Archiv des Schönen, mit inneren Fotos, Filmen, Düften, Stimmen... Momentaufnahmen. Jederzeit verfügbar zum Drinkramen und was Rausholen... Und die Winter-Zeit hat neben allen Unwägbarkeiten, Nöten, Ängsten eben auch das Kostbare. Schöne. Wärmende. Anbei ein paar Takte Erich Fried, zum An-den-Spiegel-Hängen: „Da hab‘ ich einen gehört, wie er seufzte ‚Du liebe Zeit!‘. Was heißt da ,du liebe Zeit‘? „Du unliebe Zeit!‘, muss es heißen. ‚Du un - geliebte Zeit!‘. Von dieser Un-Zeit, in der wir leben müssen! Und doch: Sie ist unsere einzige Zeit. Unsere Lebens-Zeit. Und wenn wir das Leben leben, können wir nicht ganz lieblos gegen diese - unsere - Zeit sein. Wir müssen sie ja nicht genau so lassen, wie sie uns traf...“

Die Kirchturmuhr der Bürgermeister-Smidt-Gedächtnis-Kirche in Bremerhavens Stadtmitte im Oktober. Hier wird die Sommerzeit elektronisch wieder um eine Stunde zurück auf normale "Winterzeit" gestellt. Foto: Schwan

Ende Oktober an der Wurster Nordseeküste: Zugvogelzeit... Foto: Schwan