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Toxische Weiblichkeit: Wenn Frauen heimlich das Patriarchat stützen

Toxische Männlichkeit ist in aller Munde. Strukturelle Benachteiligungen werden aufgedeckt. Probleme werden formuliert. Aber was ist, wenn auch Frauen die patriarchalen Strukturen unterstützen? Geht das überhaupt?

Pop-Art-Collage mit einer klassischen Marmorbüste, die moderne Sonnenbrillen mit gelben Blitzen auf schwarzem Hintergrund trägt. Im Hintergrund sind bunte, verschwommene Silhouetten von Menschen in leuchtenden Farben wie Orange, Blau und Gelb zu sehen. Die Darstellung wirkt retrofuturistisch und symbolträchtig.

Pop-Art-Collage mit einer klassischen Marmorbüste, die moderne Sonnenbrillen mit gelben Blitzen auf schwarzem Hintergrund trägt. Im Hintergrund sind bunte, verschwommene Silhouetten von Menschen in leuchtenden Farben wie Orange, Blau und Gelb zu sehen. Die Darstellung wirkt retrofuturistisch und symbolträchtig. Foto: NZ Grafik

„Don‘t you know that you‘re toxic?“, singt Britney Spears in ihrem Song „Toxic“. Weißt du nicht, dass du toxisch bist? Diese Frage wird mittlerweile vielen Männern entgegen geschmettert. Aber auch Frauen sollten sich nicht automatisch aus der Rechnung nehmen. Wir können uns nicht von toxischen Verhaltensmustern freisprechen.

Moment mal – Was ist eigentlich mit den Frauen?

Die Autorin Sophia Fritz prägt mit ihrem Buch „Toxische Weiblichkeit“ nicht nur die Begrifflichkeit, sondern auch den Diskurs. Während toxische Männlichkeit schon in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen ist, wird über problematisches Verhalten der Frau im Patriarchat verhältnismäßig wenig gesprochen. Sie wird eher als Opfer wahrgenommen. Dennoch gibt es Frauen, die zum einen von den gegebenen Strukturen profitieren oder sie zumindest befeuern.

Annelen de Mora, eine der Gründerinnen des Projekts „FrauenSTÄRKEN in Bremerhaven“, vermutet ähnliche Strukturen zwischen toxischer Weiblichkeit und Männlichkeit: „Ein Mann ist aber oft körperlich überlegen.“

Wie verwirrend – Jetzt sind Frauen doch schuld?

Ganz so einfach ist es nicht. Also hier ein Versuch, das Ganze aufzudröseln: Toxische Weiblichkeit ist vielschichtig und weniger leicht herunterzubrechen als toxische Männlichkeit. Eines ist aber schon klar ersichtlich bei beiden Phänomenen: Der Mann bleibt weiterhin an der Spitze. Bei toxischer Männlichkeit werden Männer auf ein Podest gestellt. Ein Mann kann nicht für seine Taten. Seinen Trieb kann er nicht steuern und deshalb wird auch eher die sexuell belästigte Frau verurteilt. Immer wieder werden in so einem Zusammenhang Fragen gestellt wie: Warum hattest du auch so einen kurzen Rock an? Hast du ihm vielleicht falsche Signale gesagt?

Jede gegen jede – Gleichberechtigung gibt es doch schon

Toxische Weiblichkeit hingegen sorgt dafür, dass sich dies nicht ändert. In der Gesellschaft nehmen weiterhin Männer die tragende Rolle ein. Ausnahmen bestätigen hier die Regel. So gibt es vereinzelnd Frauen, die es „geschafft“ haben. Sie gelten – auch unter manchen Frauen – als Beweis, dass es Gleichberechtigung schon lange gibt.

Diese einzelnen „Positivbeispiele“ sorgen oftmals dafür, dass andere Frauen als Feindbild wahrgenommen werden. Untereinander gilt es sich zu beweisen, sodass man selbst zu einem Beweis für Gleichberechtigung werden kann. Andere Frauen als Konkurrentinnen wahrzunehmen kann sogar schon in der eigenen Familie beginnen: Mütter, die ihre Töchter als Konkurrenz sehen – Aussehen und Körper kommentieren und kritisieren.

Psst – Lieber schwimmen statt untergehen

Andererseits gibt es auch das „gute Mädchen“, wie es Fritz nennt, die nichts lieber tut, als anderen zu gefallen. Es ist eine Rolle, die viele Frauen gelernt haben – denn Mädchen müssen sich benehmen, „ladylike“ sein, während Jungs sich austoben dürfen. Für ein Mädchen gehört es sich nicht, sich zu hauen, bei ihren männlichen Altersgenossen wird ein Auge zugedrückt. So sind Jungs eben. Auch als Erwachsene werden Frauen noch dafür belohnt, wenn sie unter dem Radar fliegen. Denn wer angepasst ist, kann auch nicht anecken.

Diese Unterordnung im System führt dazu, dass Frauen sich zum einen gegenseitig keine Gefallen tun und zum anderen Männer weiterhin bevorzugt werden. Toxische Männlichkeit kann als enttarnt angesehen werden, toxische Weiblichkeit aber nicht. Beides ist tief verankert in unserer Gesellschaft. Da jedoch die toxische Weiblichkeit wesentlich subtiler funktioniert, kann es schwer sein, sie zu sehen. Wichtig ist es deshalb vor allem sein eigenes Verhalten an erster Stelle zu hinterfragen.

Erwischt – Strukturelle Probleme ganz und gar verinnerlicht

  • Bemuttere ich meinen Partner, weil ich ihm wirklich etwas Gutes tun möchte oder mache ich es nur, weil ich ihm nicht zutraue? Und im Gegenzug kann ich dann behaupten: Er macht ja nie etwas im Haushalt und ich gebe mich auf.
    Für dieses Beispiel ist bewusst eine heterosexuelle Beziehung gewählt, weil sich gerade dort solche Dynamiken schnell einschleichen.
  • Ist der Kommentar über das Gewicht meiner Tochter angemessen und was möchte ich damit aussagen? Geht es mir um ihre Gesundheit oder um ihre gesellschaftliche Stellung?
  • Warum ist es wichtig für dich, die Arbeitssituation deiner Kollegin – eine frisch gebackene Mutter – zu kommentieren? Versuchst du sie damit ins Aus zu schießen oder sorgst du dich wirklich um ihre Work-Life-Balance?
  • Hast du Angst, deine Freundin möchte keine Zeit mehr mit dir verbringen, wenn du ihr ehrlich antwortest und zugibst, dass dir ihre neue Jacke nicht gefällt?

Um hier nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Liste könnte ewig weitergeführt werden. Solche Fragen kann man sich im Stillen selbst stellen, aber auch in sozialen Gruppen sollten solche Themen auf den Tisch kommen. „FrauenSTÄRKEN“ laden sich deshalb immer wieder außenstehende Profis ein, die mit ihnen teambildende Maßnahmen durchführen. Wie bei ganz vielen Problemen ist eine offene Kommunikation auch hier das A und O.

Dieser Artikel ist erstmals am 18. August 2024 erschienen.

Katharina Hopp

Channel-Manager Digital

Katharina Hopp ist 1997 in der Kleinstadt Nordhorn geboren und aufgewachsen. Zum Studium hat es sie nach Bremen gezogen. Die Stadt ist zu ihrer Wahlheimat geworden. Nach einem Studium der „Public History“ ist sie nun bei der NORDSEE-ZEITUNG als Channel-Manager Digital tätig.

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