Meinung & Analyse

Rohr frei im Berliner Kanzleramt: Wenn Dokumente wandern

Wer hätte das gedacht in Zeiten moderner Kommunikationsmittel: Im Berliner Kanzleramt werden zahlreiche Papiere immer noch per Rohrpost verschickt. Dabei spielt auch das Thema Sicherheit eine Rolle. Aber ein Nachfolgesystem soll kommen.

Im Kanzleramt noch immer gefragt: Die Rohrpost.

Im Kanzleramt noch immer gefragt: Die Rohrpost. Foto: Perina Ludek

Rohr frei im Kanzleramt - auch wenn mit Olaf Scholz vor gut zwei Jahren ein neuer Hausherr eingezogen ist: Geht es um die interne Kommunikation, verlassen sich der SPD-Mann und seine Mitarbeiter nach wie vor auf eine Technik aus dem 19. Jahrhundert. Auf die gute, alte Rohrpost. Und das im Zeitalter von E-Mails und anderen, modernen Kommunikationsmöglichkeiten. Warum eigentlich?

Die Rohrpostanlage im Bundeskanzleramt sei seit ihrer Inbetriebnahme mit Bezug der Regierungszentrale uneingeschränkt in Nutzung, so eine Sprecherin der Bundesregierung. „Pro Monat werden damit circa 1.000 Sendungen bewegt.“ Dabei handele es sich in der Regel „um eilige Vorgänge, die nicht elektronisch oder per Hausbotendienst weitergeleitet werden können“, ergänzte die Sprecherin. Eine Rolle dürften wohl auch Sicherheitsaspekte spielen, Stichwort Cyberangriffe.

Auch in Krankenhäusern wird die Technik

noch verwendet

Für Wartung und Inspektion der Rohrpostanlage seien rund 10.000 Euro im Quartal erforderlich, führte die Regierungssprecherin aus. Bei der Rohrpost werden Sendungen mit Hilfe von Druckluft oder per Sog durch Röhren geschickt. In großen Städten waren solche Anlagen früher üblich. Heutzutage wird die Technik zum Beispiel noch in Krankenhäusern verwendet.

Die Vorgängerin von Olaf Scholz, Angela Merkel (CDU), setzte ebenfalls auf das System. Damals wurde die Rohrpost noch deutlich mehr genutzt. 2.400 Vorgänge würden monatlich transportiert, hieß es 2019. Als Alternative zur Rohrpost im Kanzleramt kämen nur Boten in Betracht, hieß es seinerzeit. Das sei aber zu teuer. Eine kostengünstigere Alternative bis zur Einführung der elektronischen Akte im Bundeskanzleramt sei daher nicht vorhanden.

Elektronische Akte soll das
alte System ablösen

Doch die wird bald kommen, weiß die Digitalexpertin der Unionsfraktion, Nadine Schön. „Bis 2025 soll die eAkte im Bundeskanzleramt überall eingeführt sein.“ Dann gehöre auch die Rohrpost ins Museum. „Am besten ins Haus der Geschichte.“

Die CDU-Politikerin kann der Sache auch etwas Politisches abgewinnen. In Sachen Digitalisierung „fehlt ein Treiber dieser Themen innerhalb der Bundesregierung“, sagte sie. Die Ampel müsse hinsichtlich der Modernisierung von Staat und Verwaltung an Geschwindigkeit zulegen. Bei der Rohrpost ist das Tempo übrigens hoch - laut Experten legen je nach Anlage die Sendungen zwischen zwei und acht Meter pro Sekunde zurück. (oer)

Hagen Strauß

Autor

Hagen Strauß wurde 1968 in Dortmund geboren und studierte in Münster. Sein Volontariat absolvierte er bei der „Westfälischen Rundschau“. Danach arbeitete er als freier Korrespondent zunächst in Bonn und dann in Berlin für verschiedene Regionalzeitungen. 2001 wechselte Hagen Strauß zur BMS und berichtet und kommentiert heute auch für die NORDSEE-ZEITUNG und NORD|ERLESEN. Als Korrespondent betreut er schwerpunktmäßig die Unionsparteien CDU und CSU, sowie die Innen-, Bildungs- und Verkehrspolitik.

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