Panorama

Umzug ins Ruhrgebiet: Das kommt wirklich auf einen zu

Der „Pott“ mag zwar nicht mehr Deutschlands schwerindustrielles Herz sein. Er ist aber trotzdem ein Mikrokosmos, in dem vieles etwas anders läuft als in anderen Ecken des Landes.

Drohnenbild

Altes und Neues, Dorf und Großstadt, Industrie und Dienstleistung, Rost und Digitaltechnik: Das Ruhrgebiet ist nicht nur ein Schmelztiegel der Kulturen, sondern in jeder Hinsicht ein Ort der Gegensätze – die alle miteinander harmonieren. Foto: © Dmitri Pronchenko / Adobe Stock

Wen es dorthin verschlägt, darf sich daher auf einige Änderungen mit vielen Eigenarten und Gepflogenheiten gefasst machen.

In Zahlen, bitte: Harte Ruhrpott-Fakten

Sehr viele Menschen, die im Ruhrgebiet leben oder von dort stammen, würden folgender Aussage zustimmen: Der Pott ist mehr als das Gebiet zwischen Rhein, Ruhr und Lippe – es ist ein Gefühl!

Doch so einzigartig das Gebiet sein mag, es lässt sich durchaus auf einige nüchterne Fakten herunterbrechen. Wobei diese bereits einen Eindruck vermitteln, warum es sich um etwas Besonderes handelt.

  • Deutschlands größter Ballungsraum dank etwa 5,1 Millionen Einwohnern auf knapp 4.500 Quadratkilometern Fläche
  • West-Ost-Ausdehnung (Sonsbeck bis Hamm) 116 Kilometer, Nord-Süd-Ausdehnung (Haltern am See bis Breckerfeld) 67 Kilometer
  • zentraler Kern der Metropolregion Rhein-Ruhr, die sich bis Mönchengladbach und Bonn zieht
  • bestehend aus insgesamt 53 Städten, davon 11 kreisfreie Städte, und 4 Landkreise
  • Europas am stärksten verdichteter Wissenschaftsstandort – dank 5 Universitäten und 17 anderweitigen Hochschulen
  • eines der zutiefst multikulturellen Gebiete des heutigen Deutschlands und gleichzeitig eines mit der längsten Multikulti-Tradition – der Pott zieht seit den Frühtagen der Industrialisierung Menschen aus anderen Nationen scharenweise an

Das Ruhrgebiet nur mit solchen nüchternen Fakten zu beschreiben und danach zu bewerten, würde diesem einzigartig-besonderen Areal und seinen Bewohnern aber bei Weitem nicht gerecht.

Außerdem fehlt bei diesen Fakten vielfach die menschliche Komponente. Es beginnt bei der Grenzziehung: Offiziell gehören große Gebiete westlich des Rheins, nördlich der Lippe und südlich der Ruhr dazu. Für viele Bewohner umfasst der klassische Pott allerdings nur jenen langgestreckten Bereich von Duisburg und Dinslaken im Westen bis in den Raum Unna und Hamm im Osten.

Rhein mit Sonnenschein

Von wegen graues Industriegebiet: Der enorme Grünanteil des Ruhrgebiets überrascht Außenstehende immer wieder. Foto: © dietwalther / Adobe Stock

Städte ohne Grenzen und jede Menge Grün: Das Ruhrgebiet in geographischer Hinsicht

Viele Menschen, die zum ersten Mal diese Region besuchen, sind erstaunt. Denn landläufig gilt das Ruhrgebiet als ein zutiefst urbanisiertes Areal. Dann aber stellen Ortsfremde schnell fest, wie enorm die diesbezüglichen Unterschiede sein können. Dazu erneut einige Fakten:

  • In der Tat ist das Herz des Potts eine lange Kette von Städten. Insbesondere zwischen Duisburg und Bochum erkennt man den Übergang von einer in die andere Stadt vielfach nur an den Ortsschildern. Teils bleiben selbst die Straßennahmen gleich.
  • Auch die Bevölkerungsdichte spricht für ein Gebiet, das einer riesigen Stadt ähnelt. Verrechnet man die Fläche und die Einwohnerzahl des Ruhrgebiets, kommt man auf 1.133 Menschen pro Quadratkilometer.
  • Es sind aber lediglich 38 Prozent des Ruhrgebiets bebaut. Fast 41 Prozent sind landwirtschaftliche Flächen, weitere 18 Prozent sind bewaldet.

Man könnte versuchen, diese Diskrepanz mit den ländlichen Kreisen jenseits des Kern-Ruhrgebiets zu erklären. So einfach ist es allerdings nicht. Die Areale zwischen Duisburg und Dortmund sind ebenfalls von überraschend vielen Grün- und Freiflächen geprägt. Gelsenkirchen gehört sogar zu den Top-10 von Deutschlands grünsten Großstädten (= Grünfläche pro Einwohner). Teilweise kann man sich mitten im Ruhrpott befinden, aber gleichzeitig auf dem Land.

Als ein Beispiel von vielen sei die renaturierte Emscher genannt. Sie durchfließt die zentralen Städte des Ruhrgebiets, galt noch in den 1980er Jahren als dreckigste Industriekloake Europas. Spaziert man heute an ihrem Ufer entlang, entsteht streckenweise der Eindruck, viele Kilometer weiter westlich im niederrheinischen Tiefland zu sein – obwohl man sich vielleicht mitten in Gelsenkirchen aufhält.

Der Grund sind drei Dinge:

  • Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts handelten einzelne Städte und der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, dem Vorgänger des heutigen Regionalverbandes Ruhr. Das geschah durch Ausweisen und Schützen von Grünflächen und durch gezielten Flächenankauf zum Zweck einer Freihaltung. Diese Maßnahmen lassen sich bis heute auf Siedlungskarten erkennen: Zwischen dem Gebiet Oberhausen und Mülheim bis nach Dortmund ziehen sich breite Grünstreifen in Nord-Süd-Richtung.
  • Das Ruhrgebiet wuchs zwar schnell zur Blütezeit der Montanindustrie. Das mikroregionale Wachstum wurde jedoch durch die Kohlevorkommen, die Lage der Zechen und Verkehrsadern diktiert. Außerdem entwickelten sich die Städte unabhängig voneinander. Dadurch entstanden bzw. verblieben an den Stadträndern sehr aufgelockerte Areale. Teilweise wurde und wird hier sogar Landwirtschaft betrieben.
  • Nach dem Niedergang der Montanindustrie verblieben große Flächen. Viele davon wurden mit der Zeit umfassend restrukturiert, wobei der Fokus auf Renaturierung lag.

Für jemanden, der heute ins Ruhrgebiet zieht, bedeutet das eine intensive Abfolge von zutiefst innerstädtischen und ländlich geprägten Milieus. Mitunter genügen wenige Minuten Autofahrt, um aus einem Großstadtzentrum mitten auf eine Wiese zu gelangen, von der aus die nächsten größeren Gebäude nur am Horizont zu sehen sind.

Grüne Wiese mit Kühen

Die Ruhr-Universität Bochum. Der Niedergang der Montanindustrie war prägend und wirkt bis heute. Dennoch gab der dem Ruhrgebiet einen starken Anstoß für den Wandel zu einer Dienstleistungs-, Logistik- und Wissensregion. Foto: Elly Miller / Adobe Stock

Das heutige Ruhrgebiet und seine Rolle für NRW, Deutschland und Europa

2018 wurde im Pott das letzte Stück Steinkohle an die Erdoberfläche gebracht. Von den einst dutzenden Hüttenwerken sind heute nur noch eine kleine Handvoll übrig. Deren Zukunft erscheint durch die aktuelle Wirtschaftskrise (Anfang 2025) schwierig.

Insbesondere, weil der Niedergang über Jahrzehnte andauerte und schwere Verwerfungen in dieser stark montanindustrialisiert geprägten Region verursachte, halten viele Außenstehende das Ruhrgebiet für abgehängt. Das ist jedoch eine deutliche Fehlinterpretation:

  • Durch seine zentrale Lage in Europa, die Nähe zu den Benelux-Staaten und die hervorragende Verkehrsinfrastruktur ist der moderne Ruhrpott eine von Europas wichtigsten Logistik-Drehscheiben.
  • Das Ende der Montanindustrie führte zu einem enormen Wandel in Richtung des Dienstleistungssektors. Ganze 77 Prozent der heutigen Beschäftigten verdienen damit ihr Geld. Auffällig ist der Anteil der Sektoren Wissen und Wissenschaft, Gesundheitswirtschaft und soziale Dienste.
  • Etwa 8 Prozent der größten Firmen in Deutschland und zahllose kleinere Unternehmen haben im Ruhrgebiet ihren Sitz. Insgesamt operieren fast 160.000 Betriebe aller Größen und Branchen im Pott – über 14.000 davon wurden allein 2022 gegründet.
  • Durch die erwähnte große Anzahl von Hochschulen ist das Ruhrgebiet ein bedeutender „Hub“ für Forschung und Lehre. Zum Wintersemester 2023/2024 waren 240.617 Menschen eingeschrieben. Als Vergleich: An den 55 Hochschulen im ganzen restlichen NRW studieren im selben Zeitraum 470.683 Personen.

Das heutige Ruhrgebiet ist daher keineswegs abgehängt. Es ist eine Schlüsselregion für sein Bundesland, ganz Deutschland und das restliche Europa. Dazu gehört auch seine Bedeutung als Teil der sogenannten „Blauen Banane“: Eine aus verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Gründen enorm wichtige und leistungsstarke Verbundregion, die sich von Norditalien bis ins südliche Großbritannien ausdehnt.

Trotz dieser Erfolge hat das Ruhrgebiet allerdings auch seine Probleme – wie jede ähnlich dicht besiedelte Region. Die Arbeitslosenquote liegt schon seit Jahrzehnten merklich höher als in anderen Gebieten. Anfang 2025 betrug sie für die ganze Metropolregion 10,3 Prozent. Im selben Zeitraum belief sich die Quote deutschlandweit auf 3,5 Prozent.

Dabei zeigt sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, bei dem die Autobahn A40 die Rolle eines Äquators einnimmt: Im nördlichen Ruhrgebiet liegen Arbeitslosigkeit und Durchschnittsgehälter erheblich schlechter als der Bundesdurchschnitt. Im südlichen Pott ist es vielerorts genau andersherum.

Als ein Hauptproblem wird immer wieder die schlechte Finanzlage vieler Ruhr-Kommunen genannt. Um diese aufzubessern, sind die Kommunalsteuern sehr hoch – unter anderem die unternehmerisch wichtige Gewerbesteuer. Diese Praxis wird von verschiedenen Seiten kritisiert, weil sie viele Ruhrstädte unattraktiver für Firmen und somit Arbeitgeber macht.

Ein weiterer Problempunkt: Auch zwischen Lippe und Ruhr ist vor allem der innerstädtische Wohnungsmarkt angespannt.

Weg am Fluss

Eine der charmantesten Ruhrgebiets-Eigenschaften besteht darin: Trotz Metropolen-Status ist es niemals weiter als ein paar Kilometer vom nächsten ländlichen Naherholungsgebiet entfernt. Hier der Dortmund-Ems-Kanal. Foto: Sebastian / Adobe Stock

Metropolregion und kultureller Schmelztiegel: Was das Ruhrgebiet Zuzüglern bieten kann

Wer ins Ruhrgebiet zieht, hat in den meisten Fällen dafür ähnliche Gründen wie in anderen Regionen Deutschlands: Ausbildung, Arbeit oder Liebe. Doch der Ruhrpott hat auch darüber hinaus einiges zu bieten.

Die Annehmlichkeiten

Wo so viele Menschen auf relativ geringer Fläche leben, rentieren sich verschiedene Dinge, die in dünner besiedelten Arealen schwierig wirtschaftlich zu betreiben wären. Ein Beispiel sind die hier nach wie vor erfolgreichen großen Einkaufszentren zwischen CentrO Oberhausen und Thier-Galerie Dortmund.

Allerdings beschränken sich die Annehmlichkeiten nicht nur auf den Einzelhandel. Es sind auch Dinge, die Umzug und Leben erleichtern können. So gibt es auch die Möglichkeit, in Dortmund Innenstadt-Ost einen Lagerraum zu mieten. In einem solchen Selfstorage-Lager ist der Zutritt fast rund um die Uhr möglich. Die Anlage ist mit Alarm und Videoüberwachung gesichert. Weitere solcher Einrichtungen sind über das ganze Ruhrgebiet verteilt – und bieten stets vergleichbare Vorteile. Hierzu gehört auch eine große Dichte an Umzugsunternehmen sowie Transportfahrzeug- und Anhänger-Verleihern.

Daneben ist das Ruhrgebiet eines der Areale, in denen es noch eine sehr lebendige und diverse Kneipenkultur gibt – darunter einige Bars und Pubs, die zu den kultigsten im ganzen Bundesgebiet zählen.

Die Kultur

Egal, ob es um große Kunst zwischen Oper und Theater geht, um Livekonzerte sämtlicher denkbarer Musikrichtungen oder um Kleinkunst wie Comedy, Poetry Slam und Open-Mic-Veranstaltung: Das Ruhrgebiet bietet eine enorme Fülle von Kultur aus allen Sparten: kir, das offizielle Kulturinfo-Ruhr-Portal, listet zu faktisch jeder Zeit mehrere Tausend Kulturveranstaltungen aller Art im Pott.

Naherholung und Erlebnisse

In einer Region, in der Großstädtisches und Ländliches so eng nebeneinander existieren, ist die nächste Grünfläche zwangsläufig nicht allzu weit entfernt. Hier gibt es zahlreiche Parks, Naturgebiete, Wanderrouten, Fahrradstrecken und Ähnliches. Zum Beispiel

  • der Naturlehrpfad Oer-Erkenschwick,
  • die Halde Hoheward in Herten,
  • der Hervester Bruch Dorsten,
  • der Wildpark Granat Haltern,
  • der Baldeneysee Essen oder
  • das Naturschutzgebiet Dortmund-Lanstrop.

Dabei sind das nicht die einzigen Optionen, um seine Feierabende und Wochenenden im Pott zu verbringen. Zu nennen wären etwa die zahlreichen Museen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und des Landschaftsverbands Rheinland. Außerdem gibt es Freizeitparks, Schwimmbäder und viele andere Erlebnismöglichkeiten bis einschließlich der längsten Indoor-Skipiste der Welt in Bottrop. Mit dieser großen Auswahl ist es nahezu ausgeschlossen, dass im und ums Ruhrgebiet Langeweile aufkommt.

Die Ruhrpott-Bewohner

Ein weiterer Pluspunkt des Ruhrgebiets sind seine Bewohner. Natürlich gibt es bei über 5 Millionen Personen Ausnahmen. Allerdings gehört der Durchschnitt der Pott-Bewohner zu den offensten, unkompliziertesten Menschen, die sich in Deutschland finden lassen.

Das ist keine leere Behauptung, sondern wissenschaftlich untermauert. Der Regionalverband Ruhr beauftragte erst kürzlich das renommierte Allensbach-Institut damit, einen Mentalitätsatlas zu erstellen. Darin wurden das Ruhrgebiet und mehrere andere deutsche Regionen verglichen. Sowohl in der Eigen- als auch Fremdwahrnehmung belegten die Pott-Bewohner vordere Plätze bei Attributen wie

  • Anpassungsfähigkeit,
  • Sozialkompetenz,
  • Direktheit,
  • Offenheit gegenüber anderen,
  • Unkompliziertheit und
  • Gemeinschaftsgefühl.

Für jemanden, der ins Ruhrgebiet ziehen möchte, sind das hervorragende Nachrichten. Denn es bedeutet letztlich, dass es leicht ist, anzukommen und angenommen zu werden – egal, ob am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft.

Hierin zeigt sich die lange Geschichte des Potts als Schmelztiegel. Schon ab dem 19. Jahrhundert kamen Arbeiter aus dem heutigen Polen hierhin. Bis heute lassen sich die Nachkommen dieser Menschen an der hohen lokalen Verbreitung von Nachnamen mit Endungen wie

  • ski/cki/dski,
  • ek,
  • ak und
  • wicz/witz

erkennen. Nicht umsonst nannten die Autoren einen der berühmtesten deutschen TV-Kommissare und Pott-Ikone Horst Schimanski – nicht Müller, Meier oder Huber.

Als Ende der 1950er die großen Gastarbeiterbewegungen nach Westdeutschland begannen, wurde der Pott um zahllose Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien bereichert. Sie alle fanden ein Auskommen miteinander vor dem Hintergrund harter Industriearbeit – „Maloche“ zwischen Schlacke, Koks und Pütt. Auch als der Niedergang der Montanindustrie begann, waren alle gezwungen, das Beste aus der Lage zu machen, vereint in Sorge um Arbeitsplätze und Zukunft.

Zusammen mit weiteren Herkunftsstaaten lässt sich über die heutige Ruhrgebietsbevölkerung eines sagen: Dort leben Menschen, oder zumindest deren Nachkommen, aus allen Ländern und Gebieten der Erde, die seit dem 19. Jahrhundert existieren.

Das alles hatte einen nachhaltig positiven Effekt. Die Menschen des Ruhrgebiets sind den ständigen Wandel und manche Sorgen gewöhnt. Über die Grenzen von Berufen und wirtschaftlichem Standing gibt es dadurch einen hohen Zusammenhalt und eine starke regionale Identität.

Der archetypische „Pott-Charakter“ hat keinen Platz für prätentiöses Verhalten oder kritisches Beäugen frisch Zugezogener. Bei vielen herrscht im schönsten Sinn noch eine Kumpel-Mentalität, die es leicht macht, diese Menschen zu mögen und von ihnen gemocht zu werden. Und diese Art färbt schnell ab. Wo man andernorts teilweise Jahre benötigt, um sich richtig heimisch zu fühlen, kann das im Ruhrgebiet nach Wochen oder wenigen Monaten geschehen.

Dazu gehört nicht zuletzt eine weitere charmante Pott-Eigenheit:

Currywurst mit Pommes

Ob mit den neuen Kollegen bei einem „Schimanski-Teller“ oder mit den Nachbarn am Gartenzaun: Es ist sehr leicht, mit den Menschen im Ruhrgebiet warm zu werden, wenn man, wie sie, alles nicht so eng sieht. Foto: Maik Meid / Adobe Stock

„Wo kommze wech?“ – der Ruhr-Slang

Auch im Ruhrgebiet befinden sich Dialekte und Regiolekte auf einem ähnlichen Rückzug wie in anderen Ecken Deutschlands. Dennoch ist die distinktive Sprache dieses Gebiets im Alltag noch überall zu hören. Das Ruhrdeutsch ist dabei ganz klar das gesprochene Ergebnis von Jahrhunderten der Einwanderung.

Die Basis ist das Niederdeutsche. Dadurch haben Ruhrdeutsch und Nordsee-Platt überraschend viele sprachliche Parallelen. Im Ruhrgebiet drückten dann allerdings die Einwanderer aus den vielen Regionen Deutschlands und anderen Staaten dem Regiolekt einen deutlichen Stempel auf.

„Ich fah nache Schicht noch nachm Baumarkt, da gibbet en Mottek im Anjebot.“

(„Ich fahre nach der Schicht noch in den Baumarkt, dort gibt es einen Vorschlaghammer im (Sonder-)Angebot.“)

Lange Zeit wurde das Ruhrdeutsche im negativen Sinn als hörbares Merkmal der Arbeiterschicht angesehen. Dazu trug auch die komödiantische Nutzung bei, zum Beispiel in verschiedenen Romanen.

Viele Eltern versuchten deshalb, ihrem Nachwuchs das Ruhrdeutsche möglichst gar nicht erst beizubringen. Allerdings dreht sich dieser Trend seit einigen Jahren. Der Slang wird verstärkt mit Heimatgefühl gleichgesetzt. Als sprachliches Stück Identität. Dementsprechend gibt es immer mehr Menschen, die sich der Pflege dieses Regiolekts widmen – ob nun wissenschaftlich, im Verein oder bloß durch aktive Nutzung im Privatleben.

Eines wird sich allerdings wohl nie ändern: Der ständige Wandel dieses Slangs und seine Ergänzung durch Aussprache und Vokabeln von neu Hinzugekommenen.

Zusammengefasst

Wer ins Ruhrgebiet zieht – egal, ob von der Nordseeküste oder anderswo – der muss auf einige Änderungen und Besonderheiten gefasst sein. Kein anderer Ort in Deutschland ist so sehr geprägt von Industrie, Zuwanderung, Niedergang, Neuauferstehung und vor allem ständigem Wandel.

Das Ruhrgebiet ist gleichzeitig eine große Metropole, ein Konglomerat einzelner Großstädte und an vielen Ecken ein überaus ländlich geprägtes Dorf. Rostige Montanindustriebrache findet sich hier wie selbstverständlich neben glitzerndem Bürokomplex, aus dessen Fenstern man die gleich hinter der Stadtgrenze beginnenden Äcker sehen kann.

Das Ruhrgebiet mag sehr vieles sein. Langeweile oder Stillstand gehören aber definitiv nicht zu seinen Attributen. Es ist ein Mikrokosmos mit einem eigenen Charakter – der es ziemlich einfach macht, den Pott und seine Menschen ins Herz zu schließen.

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