Panorama

Offshore-Windparks: Wichtige Fakten über einen der bedeutendsten Bausteine der Energiewende

Nur an wenigen Punkten der Nordseeküste kann man sie am Horizont erspähen – obwohl sie dort über anderthalbtausendmal stehen. Hier können Windräder buchstäblich „ungestört“ zeigen, was in ihnen steckt. Grund genug, genauer auf diese Giganten der regenerativen Stromerzeugung zu blicken.

Windpark

Regenerativer Strom ohne Beeinflussung von und durch Landschaftsformationen. Das ist die wohl größte Stärke von Offshore-Windkraftanlagen. Foto: stock.adobe.com © Fokke Baarssen)

Offshore oder Hochsee? Etwas Begriffskunde zum Einstieg

Wenn man über Maritimes liest, verdeutlicht sich schnell, welche Personen hinter dem Text zumindest ein bisschen Salzwasser in den Adern haben. Das Thema Meeres-Windparks zeigt das besonders gut. Im Deutschen wird nämlich gern von „Hochsee-Windparks“, oder „Hochsee-Windrädern“ gesprochen.

Mag auf Laien korrekt klingen, ist jedoch für Profis so richtig, als würde man Bremerhaven als Teil des Landkreises Cuxhaven bezeichnen – nicht als bremische Exklave. Tatsächlich passt der englische Offshore-Begriff so gut wie Labskaus und Spiegelei. Denn:

  • Offshore ist lediglich die Zusammenfassung der Umschreibung „Vor der Küste“ auf ein griffiges Wort. Es erfasst prinzipiell alle Meeresbereiche jenseits des Strandes – also ein recht allgemeiner Begriff.
  • Hochsee hingegen ist ein feststehender Rechtsbegriff. Damit sind erst jene Meeresgebiete gemeint, die sich jenseits der 200-Meilen-Zone von Küsten entfernt befinden. Vielfach spielt zudem Geografie eine Rolle: Die hohe See beginnt häufig (jedoch nicht grundsätzlich) erst jenseits des Kontinentalschelfs, wo der Meeresboden steil absinkt.

Mancher fragt sich vielleicht jetzt, ob das nicht Wortklauberei sei: keineswegs. Denn „Meeres-Windkraftanlagen“ stehen fast sämtlich fest auf dem Kontinentalschelf verankert. Daran ändert auch die geringe Tiefe der Nordsee nichts. Selbst hier, wo ein Großteil nicht tiefer als 94 Meter ist, steht (bislang) kein Windrad weiter als 120 Kilometer von der Küste entfernt.

Bedeutet, „Hochsee-Windpark“ ist ebenso technisch unkorrekt als würde man beispielsweise von den „ostfriesischen Halligen“ sprechen – wo die Halligen glasklar zu Nordfriesland gehören. Aber: Wem der Begriff zu sperrig ist, der kann ebenso das häufig genutzte Kürzel verwenden – OWP.

Wartung am Windrad

Windkraft jenseits der Küste zeichnet sich vor allem durch enorme Rotorblatt-Abmessungen aus – eine Folge der hier stärker wehenden Winde. Foto: stock.adobe.com © Mark

Groß und ungestört: Wie Offshore-Windanlage aussehen und warum sie in den Meeren stehen

Moderne Windkraftanlagen (kurz: WKA) sind niemals kleine, unauffällige Konstruktionen. Zumal in jüngerer Vergangenheit ein beträchtliches Größenwachstum erfolgte. Allerdings muss man eines ganz klar feststellen: Gegenüber typischen, ja sogar sehr großen Windkraftanlagen an Land sind Offshore-WKA regelrechte Giganten.

Zum Vergleich:

  • Moderne Windkraftanlagen an Land bewegen sich bei den Nabenhöhen (= Mittelpunkt des Rotors) im Bereich zwischen zirka 80 und 140 Meter. Der Rotordurchmesser beträgt hier ungefähr 70 bis 130 Meter je nach Leistungsklasse.
  • Bei zeitgenössischen Offshore-WKA hingegen beträgt die gemittelte Höhe gut 100 Meter bei einem Durchschnitts-Rotordurchmesser über 150 Meter. Wobei hier das Größenwachstum enorm ist. So baut beispielsweise Siemens Gamesa derzeit für einen niederländischen Offshore-Windpark Turbinen mit 200 Metern Rotordurchmesser.

Bedeutet: Offshore-WKA sind zwar vielfach nicht ganz so hoch, dafür jedoch hinsichtlich der Rotoren erheblich größer. Wir sprechen von Rotorblättern, die mit den Flügellängen der größten Flugzeuge konkurrieren.

Natürlich steht dahinter Methode: Windkraftanlagen an Land benötigen eine erhöhte Bodenfreiheit, damit die Rotoren möglichst weit oberhalb von Landschaftsformationen liegen. Das hängt mit einem ungestörten Windfluss in näherer und weiterer Umgebung zusammen.

Anders auf See: Hier existieren über hunderte bis tausend Kilometer keinerlei Hindernisse abseits der Wellengipfel.

  • Erstens weht der Wind hier gerade in den unteren Höhenbereichen erheblich ungestörter, was Verwirbelungen bzw. Turbulenzen anbelangt. Das bedeutet eine geringere, gleichmäßigere Belastungen für die ganze Konstruktion einer WKA – insbesondere die Rotorblätter können deshalb deutlich größer ausfallen, ohne in einem solchen Maßstab Verstärkung zu benötigen, wie es an Land erforderlich wäre.
  • Zweitens sorgt die Abwesenheit von bremsenden Landschaftsformationen für im Durchschnitt größere Windgeschwindigkeiten. Entsprechend große Rotoren gestatten daher ein besseres Ausnutzen der innewohnenden Kräfte – mehr Leistung pro Windrad.

Das Einzige, was die Konstrukteure neben den Werkstoffeigenschaften wirklich beachten müssen, sind die Wellen. Käme ein im Sturm mit hoher Bewegungsenergie drehendes Rotorblatt mit einem Wellenkamm in Kontakt, wäre eine vollständige Zerstörung der Windkraftanlage zu befürchten, da ein Rotorblatt urplötzlich stark abgebremst würde.

Doch was bedeutet das zusammengefasst? Vor allem das: Was ein effizientes Ausnutzen von Windkraft anbelangt, sind Offshore-WKA um Längen besser als landgestützte Anlagen. Die mittlere Stromerzeugung erreicht leicht doppelt so hohe Werte. Einerseits bedeutet das bessere Vorhersagbarkeit der Erzeugung, andererseits mehr Leistung pro Anlage – und bessere Rentabilität.

Übrigens bestehen die Offshore-Windbedingungen erst ab zirka zehn Kilometer Abstand von der Küste. Im näheren Bereich kann es bereits wieder zu Ab- und Umlenkwirkungen durch das nahe Festland kommen. Das ist einer der Hauptgründe, warum man sich am Strand vielerorts selbst mit einem starken Fernglas schwertut, die rotierenden Blätter der Windkraftanlagen zu erspähen – sie sind weit draußen hinter der Kimm.

Tripod-Konstruktion

Wind- und Wellenkraft sorgen für extreme Hebelwirkungen. Die müssen von enormen Fundamenten abgefangen werden. Hier eine Tripod-Konstruktion, die auf drei eingerammten Pfählen ruht. Foto: stock.adobe.com © Gabriele Rohde

Leckerbissen für Ingenieure: Die Technik hinter – und unter – Offshore-WKA

Das Windrad mag eine der einfachsten Möglichkeiten sein, um Strom zu erzeugen. Schließlich wird durch den Rotor bloß eine linear einströmende Kraft in eine Drehbewegung umgewandelt, die einen Generator antreibt. Doch obwohl es in der Theorie so simpel ist, so sind Offshore-Windkraftanlagen in der Praxis technische Wunderwerke, die sich nicht hinter irgendetwas verstecken müssen.

Fangen wir bei den reinen physikalischen Faktoren an: Der stärker wehende Meereswind sorgt in Verbindung mit der Kraft der Wellen und dem Kraft-Einleitungsvermögen des Meeresbodens für überaus komplexe Kalkulationsbedingungen.

Insbesondere in der Nordsee haben wir es auf fast der gesamten Fläche mit einem sandigen, weichen Meeresboden bis in größere Tiefen zu tun. Das ergibt eine vergleichsweise große Nachgiebigkeit. Die erfordert eine deutlich komplexere, aufwendigere Gründung. Mit anderen Worten: Es ist in der Nordsee schwieriger, die Fundamente einer WKA hinreichend langzeitsicher im Schlick zu verankern.

Dann kommen noch weitere Herausforderungen hinzu:

  • Windkraftanlagen bestehen aus einem komplexen Materialmix. Er umfasst verstärkte Komposit-Kunststoffe ebenso wie sehr unterschiedliche Metalle, die in der tragenden Konstruktion und weiteren Bestandteilen Verwendung finden. Dazu nicht zuletzt Beton – und dessen Armierung. Allein die größere Leistungsfähigkeit benötigt bereits mehr Neodym und Dysprosium, weil erheblich höhere Magnetmassen im Generator erforderlich sind.
  • Meerwasser und die durch die Gischt damit gesättigte Luft sind enorm korrosiv. Das bedingt selbst bei rostträgen Eisenmetallen besondere Schutzvorkehrungen. Daher nutzt man beispielsweise elektrochemische Systeme für einen kathodischen Korrosionsschutz. Unter anderem existieren hier deshalb sogenannte Opferanoden. Ihr Metall wird gezielt durch die Korrosion zerfressen, damit die wichtigeren Metallbauteile unbeeinträchtigt bleiben.
  • Der ständige Wellengang, davon aufgewirbelte Schwebstoffe im Wasser und in der Luft, ja sogar das Wasser selbst, wirken zusätzlich noch abrasiv, also abschleifend.
  • Hinzu kommt außerdem noch der übliche unterseeische Bewuchs. Der sorgt an einer WKA zwar nicht – ungleich zu Schiffsrümpfen, wo er bremsend wird –für reduzierte Effizienz, hat aber dafür andere nachteilige Auswirkungen wie etwa Beschädigung der Oberflächenversiegelung.

Und: Wo selbst die größten schwimmenden Bohrplattformen in einem Trockendock gereinigt und gewartet werden können, bleibt der untere Teil einer herkömmlichen Offshore-WKA so lange im Wasser, wie die Anlage in Gebrauch ist – aktuell etwa 20 bis 30 Jahre. Wohl existieren ebenfalls schwimmende Windkraftanlagen. Deren Anteil an der Stromerzeugung und in absoluten Zahlen ist jedoch bislang (noch) gering – selbst, wenn sie für die Zukunft als wichtige Hoffnungsträger gelten.

Festinstallierte Offshore-Windkraftanlagen sind deshalb das Endergebnis von mehreren Jahrtausenden Erfahrung im Umgang mit den Kräften der Meere im Zusammenspiel mit einigen Jahrhunderten der Erfahrung mit Elektrizität und vielen modernen Materialien.

Es beginnt bereits bei der Gründung selbst. Damit eine Windkraftanlage im sandigen Nordseeboden sicher steht, kommen verschiedene Arten von Fundamenten infrage. Möglich sind je nach genauem Standort und Größe einer WKA folgende Systeme:

  • Reine Schwerkraftfundamente, die nur die Trägheit einer enormen und großflächigen Masse nutzen. Ab wenigen Dutzend Metern Wassertiefe jedoch unwirtschaftlich.
  • Flachfundamente mit großen Durchmessern, die jedoch nicht tief im Meeresboden stehen und – ähnlich wie bei flachwurzelnden Bäumen – durch die große Fundamentfläche Halt finden.
  • Verschiedene Pfahlfundamente, die sich hauptsächlich durch die Anzahl unterscheiden. Sie werden in den Meeresboden eingerammt. Entweder geschieht das mit roher Kraft oder je nach Untergrund durch gleichzeitiges Ausspülen und Abpumpen des Materials vor der Spitze – seinerseits eine recht neue ingenieurstechnische Meisterleistung.

Bei den meisten Anlagen in der Nordsee kommt dabei das sogenannte Monopile-Verfahren zum Einsatz. Wie der Name schon sagt, wird hierbei eine einzelne Säule genutzt. Deren Spitze reicht bis zu 50 Meter unter den Meeresboden hinab. Das hat nicht nur den Vorteil, dass pro Windkraftanlage diese Arbeit nur einmal durchgeführt werden muss, sondern sorgt für einen geringeren Fußabdruck – und dadurch unter anderem weniger Störungen für Schifffahrt und Tierwelt.

Doch egal, welche Gründungstechnik genutzt wird, die Schwierigkeit besteht immer darin, dass alles auf und unter Wasser vonstattengeht. Selbst, wenn beispielsweise die beteiligten Spezialschiffe durch GPS-gesteuerte Systeme und entsprechende Ruderanlagen trotz Wellengang punktgenau über einer Stelle auf dem Meeresboden „stehen“ können, bleibt es dennoch eine enorme Herausforderung – nicht zuletzt logistischer Natur.

Das gilt selbst dann, wenn die Gründung vollzogen ist. Das heißt, wenn bereits ein Sockel über den Flut-Meeresspiegel hinausragt und dementsprechend darauf „nur“ noch Rohrabschnitte aufgesetzt werden müssen, die später von der Gondel gekrönt werden. Hierbei spielt einmal mehr der Wellengang eine Rolle. Ebenso jedoch der schon angesprochene Korrosionsschutz: Damit keine meersalzige Feuchtigkeit ins Innere eindringt, setzt man dieses oft unter Überdruck. Das wiederum erfordert eine besonders hochwertige Abdichtung aller Verbindungsstellen.

Offshore-Windpark

Zu jedem Offshore-Windpark gehört mindestens eine Umspannplattform. Hier laufen die Ströme der einzelnen WKA zusammen, werden umgewandelt und an Land geleitet. Foto: stock.adobe.com © Igor Hotinsky

Zwischen Umspannwerk und Seekabel: So gelangt der Strom an Land

Selbst wer sich noch nicht intensiver mit Offshore-Windparks befasst hat, der hat wahrscheinlich schon in den Nachrichten von der Verteilungsproblematik mitbekommen. Auf ganz Europa bezogen ist die Nordsee relativ klein. Der Strom muss also zu den Abnehmern gelangen. Das ist abermals einer jener Punkte, die Offshore-Windstromerzeugung trotz aller Vorteile technisch schwieriger macht.

Bei landgebundenen Windkraftanlagen kommen meistens Gleichstromgeneratoren zum Einsatz. Sie sind nicht zuletzt aufgrund der wechselhafteren Windbedingungen dort die bessere Lösung. Bei Offshore-WKA ist es andersherum. Sie nutzen Wechselstromgeneratoren, weil sie unter diesen Bedingungen die effizientere Lösung darstellen.

Bloß: Was den Stromtransport über weite Distanzen anbelangt, ist Gleichstrom in jeglicher Hinsicht besser, weil es unterwegs zu erheblich geringeren Leistungsverlusten kommt. Das ist in der Nordsee doppelt bedeutsam. Die meisten Bestandsprojekte und Neuplanungen sind zwischen 40 und über 120 Kilometer von der Küste entfernt. Hier kommt es daher stark auf möglichst geringe Leistungsverluste an.

Um den Strom an Land zu bekommen, verwendet man deshalb ein kombiniertes System. Das sieht schematisch betrachtet folgendermaßen aus:

  • Mehrere einzelne Windkraftanlagen sind zu einem größeren Offshore-Windpark zusammengeschlossen. Bei den deutschen Parks in der Nordsee sind es im Schnitt etwa 50 Windräder pro Windpark.
  • Mehrere WKA innerhalb eines Parks sind wiederum zu Clustern zusammengeschlossen.
  • Diese Cluster senden ihren Wechselstrom über auf dem Meeresgrund liegende Kabel zu einer in unmittelbarer Nähe ebenfalls im Wasser gelegenen Umspannstation.
  • Diese Umspannstationen sind auf Plattformen ganz ähnlich wie diejenigen zur Exploration fossiler Energieträger errichtet. Sie können also ähnlich ortsfest wie die Windkraftanlagen mit dem Untergrund verbunden sein oder schwimmend und dadurch lediglich durch Ankerketten gehalten.
  • Innerhalb der Umspannplattformen wird der Wechsel- zu Gleichstrom umgewandelt. Aufgrund der hier vorhandenen Spannungen spricht man von einer Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ).
  • Über ein einzelnes dickes Unterseekabel wird dieser „gebündelte“ und umgewandelte Strom an die Küste geleitet und dort weiterverteilt, wieder in netzüblichen Wechselstrom umgewandelt und herabgeregelt.

Um das an einem Beispiel zu demonstrieren: Der 2017 in Betrieb genommene Windpark Gode Wind I 33 Kilometer nördlich vor Norderney besteht aus 55 WKA, die jeweils eine Nennleistung von 6 Megawatt (MW) besitzen. Zusammen erzeugt der Windpark eine Nennleistung von 330 MW. Im Jahr 2023 konnte er 1.090 Gigawattstunden, respektive 1,09 Terawattstunden, Strom einspeisen. Zum Vergleich: Hamburg brachte es in diesem Jahr auf einen Gesamtstromverbrauch von 9,6 Terawattstunden.

Zumal das nur ein Windpark mit 55 Windrädern ist – von letzteren stehen in deutschen Küstengewässern jedoch mittlerweile mehr als 1.500 Stück. Das bringt uns auch zum nächsten Kapitel:

Arbeit für „Rammschiffe“ wie dieses wird es allein in der Nordsee noch genug geben. Allerdings kann jedes Meer nur eine begrenzte Zahl von WKA mit störungsfreiem Wind supporten, bevor die Anlagen sich gegenseitig stören.

Arbeit für „Rammschiffe“ wie dieses wird es allein in der Nordsee noch genug geben. Allerdings kann jedes Meer nur eine begrenzte Zahl von WKA mit störungsfreiem Wind supporten, bevor die Anlagen sich gegenseitig stören. Foto: stock.adobe.com © Frankix

Windkraft im Meer: Zahlen für Deutschland und andere Anrainerstaaten

Es mag technisch anspruchsvoller sein, Windkraftanlagen auf dem Meer zu errichten – selbst, wenn es nur die flache Nord- oder Ostsee ist. Doch nicht nur die hohe Leistung dank des gleichmäßigen starken Meereswindes lockt Investoren, Hersteller, Betreiber und Regierende gleichermaßen. Es sind ebenfalls Dinge wie die Abwesenheit klagender, verzögernder Anwohner und die fast nur für Seeleute und deren Passagiere gegebene Sichtbarkeit. Mit anderen Worten: Wo kaum jemand dauerhaft wohnt, wo keine Berge und Wälder sind, kann sich kaum jemand durch den Anblick der Windräder gestört fühlen.

Es ist sozusagen die Kombination lauter Vorteile gegenüber nur wenigen Nachteilen, die Offshore-Windkraft so beliebt macht. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Zahlen:

  • Laut ENBW gab es zum Jahresende 2023 1.566 Windkraftanlagen in 29 Windparks in deutschen Gewässern. Diese brachten es auf eine installierte Gesamtleistung von 8.465 Megawatt. Zum Vergleich: Im selben Jahr waren an Land bei uns 61.139 Megawatt installierte Windkrafterzeugung vorhanden.
  • Die überwiegende Anzahl steht in der Nordsee, nur wenige Anlagen in der Ostsee – dort sind die Winde weniger günstig.
  • Insgesamt stehen in der Nordsee gut 50 Windparks mit einer installierten Gesamtleistung von mehr als 100.000 Megawatt. Deutschland ist mit 22 Parks der mit Abstand größte Partizipant gefolgt von Großbritannien, Belgien und den Niederlanden.

Hinzu kommen noch weitere Anlagen, die sich in unterschiedlichen Phasen von Planung und Errichtung befinden. Trotzdem wird mancher aufmerksame Leser sich vielleicht fragen, warum es selbst beim Offshore-Windkraftgiganten Deutschland nur verhältnismäßig wenig ist – verglichen mit der installierten Leistung an Land.

Die Antwort: Erstens gibt es noch umfassende Ausbauziele, die zu erfüllen sind. Bedeutet, das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht. Zweitens muss man auf See sehr genau kalkulieren: Da die Rotoren hier so groß sind, müssen die einzelnen WKA weiter voneinander entfernt stehen, damit sie sich nicht gegenseitig beeinträchtigen – also jedes Windrad die gleiche Menge ungestörter Windenergie abbekommt. Experten sprechen vom sogenannten Wake- oder Nachlaufeffekt. Hinter einem Windrad ist der Wind nicht nur schwächer, sondern turbulent verwirbelt.

Das bedeutet, in der Nordsee gibt es nicht unbegrenzt viel Platz für Windräder, selbst wenn die insgesamte Meeresfläche mit rund 570.000 Quadratkilometern sehr groß ist (Deutschland bringt es auf eine Gesamtfläche von 357.600 Quadratkilometern).

Zudem müssen die Windkraftanlagen, so wichtig sie für die Zukunft der Klimawandelbekämpfung sind, im Zusammenspiel mit dem empfindlichen Lebensraum des Meeres Betrachtung finden. Das bringt uns zum finalen Kapitel.

Von allen angenommenen negativen Umweltauswirkungen sind nur die Störungen des empfindlichen Schweinswal-Gehörs bislang umfassend wissenschaftlich erforscht.

Von allen angenommenen negativen Umweltauswirkungen sind nur die Störungen des empfindlichen Schweinswal-Gehörs bislang umfassend wissenschaftlich erforscht. Foto: Irk Boockhoff

Auswirkungen von Offshore-Anlagen auf die Ozeane

Es gibt einen Grund, warum Ingenieure enorme Anstrengungen unternahmen, um das zur Gründung teils genutzte Ausspülverfahren zu entwickeln. Denn unter Wasser verbreitet sich Schall mit viel größerer Geschwindigkeit und geringerer Abschwächung als in der Luft.

Offshore-Windkraftanlagen stehen deshalb unter anderem vor dem Hintergrund ihrer Geräuschemissionen in der Kritik:

  • Das bei der Gründung vielfach nötige Einrammen erzeugt unter Wasser enorme Lautstärken, die geräuschempfindliche Tiere, etwa den Schweinswal, erschrecken und deren Orientierungssinn stören können. Umweltverbände fordern deshalb eine gesetzliche Pflicht zur Erzeugung von „Lärmschutzschleiern“ aus Luftblasen. Diese können, wissenschaftlich bestätigt, die Lärmemissionen um bis zu 90 Prozent reduzieren.
  • Im Betrieb erzeugen Windräder unvermeidlich sehr tiefe Schallemissionen, sogenannten Infraschall. Er steht ebenfalls in Verdacht, Tierpopulationen zu beeinträchtigen – wobei hierzu die Forschungslage längst nicht so eindeutig ist.
  • Ebenfalls wird derzeit erforscht, welche Wirkungen auf die Wasserströmungen durch die unter Wasser liegenden Bauteile entstehen. Diese könnten(!) die natürlichen Strömungswirbel stören, was wiederum das Temperaturgefälle unter Wasser beeinträchtigen könnte.

Bei neutraler Betrachtung lässt sich feststellen, dass sich nach aktuellem Forschungsstand Vor- und Nachteile auf die Meeres-Umwelt die Waage halten. Vor allem durch die Erzeugung enormer Mengen regenerativen Stroms dürfte allerdings die Gesamtbilanz von Offshore-Windkraft stets positiv bleiben – insbesondere, da sämtliche neuen Forschungserkenntnisse relativ zeitnah in Konstruktion und Betrieb von heutigen und vor allem künftigen Offshore-WKA einfließen.

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