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Katz-und-Maus-Spiele mit Romantik und Kunstblut

Die Sehgewohnheiten des südkoreanischen Kinos unterscheiden sich von denen, die man im Westen kennt. Das kann erfrischend, weil anders wirken - beste Beispiele dafür sind die beiden Filme „Die Frau im Nebel“ und „Project Wolf Hunting“.

Szene aus „Die Frau im Nebel“: Obwohl er sie des Mordes verdächtigt, fühlt sich Song (Tang Wei) zu dem pflichtbewussten Polizisten Jang (Park Hae il) hingezogen.

Szene aus „Die Frau im Nebel“: Obwohl er sie des Mordes verdächtigt, fühlt sich Song (Tang Wei) zu dem pflichtbewussten Polizisten Jang (Park Hae il) hingezogen. Foto: Plaion Pictures

Seit Donnerstag flimmert ein Film über die deutschen Kinoleinwände, der erst im dritten und letzten Anlauf die FSK-Altersfreigabe ab 18 Jahren erhalten hat: „Project Wolf Hunting“. Ein kompromissloser und wenig komplexer Actionkracher, der allerdings beeindruckend untermauert, wie wichtig Südkorea für die internationale Filmlandschaft ist. Und zwar nicht erst seit dem historischen Oscar-Gewinn für „Parasite“: Die Gesellschaftssatire des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho hatte 2020 vier Oscars gewonnen. Die höchste Auszeichnung war nie zuvor an einen Film gegangen, der in einer anderen Sprache als Englisch gedreht wurde.

Preisgekrönt, wenn auch bislang „nur“ mit dem Regie-Preis von Cannes im vergangenen Jahr, ist der Thriller „Die Frau im Nebel“, der seit Februar in den deutschen Kinos läuft und unter anderem noch in Oldenburg zu sehen ist. Der Streifen des einst mit einer Rache-Trilogie berühmt gewordenen Park Chan-wook („Oldboy“) ist ein brillant fotografiertes und mit subtiler Musik garniertes Katz-und-Maus-Spiel inklusive Zeitsprung und Ortswechsel.

Kommissar verliebt sich in eine unter Verdacht stehende Witwe

Die Geschichte des in einen Noir-Mantel gehüllten Liebesfilms ist komplex, aber nicht kompliziert: Ein schlafloser Kommissar (Park Hae-il) verliebt sich in eine unter Mordverdacht stehende Witwe (Tang Wei). Während er nächtelang um das
Haus der Verdächtigen herumschleicht, vernachlässigt er sein Privatleben. Die Witwe bemerkt das Interesse des Polizisten und geht darauf ein, verwickelt ihn etwa in Gespräche. Es geht um Liebe, Schmerz, Glück und Verlangen.

Ungewöhnliche Schnitten und Perspektiven

Es ist eine bildgewaltige, detaillierte Reise in die Psyche der beiden Hauptfiguren, die mit einer Laufzeit von mehr als zwei Stunden vielleicht etwas zu lang ausgefallen ist. Park Chan-wook setzt auf ungewöhnliche Schnitten und Perspektiven, seine Szenenübergänge sind einmal mehr kunstvoll. Die geschliffenen Dialoge passen zu der nebulösen Stimmung. Der 59 Jahre alte Regisseur („Die Taschendiebin“, „Stoker“) erregte weltweit erstmals Aufmerksamkeit mit „Joint Security Area“, der 2001 auch als Berlinale-Wettbewerbsbeitrag lief. Inhaltlich ging es dabei um Friedensphilosophie in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea.

Eine Gruppe südkoreanischer Krimineller stehen in einem blutverschmierten Gang eines Schiffes. Ein Mann zielt mit einer Waffe.

Wenig zimperlich: In „Project Wolf Hunting“ wird aus dem Sänger und Schauspieler Seo In-Guk ein Schwerstverbrecher. Foto: Capelight Pictures

Das Ungeheuer lauert im Bauch des Containerschiffes

Ein Merkmal, das sich durch viele asiatische Filme zieht, ist explizite Gewalt. Das gilt zweifellos auch für den 121 Minuten langen „Project Wolf Hunting“, der vor offiziellem Kinostart bei den „Fantasy Filmfest White Nights“ in Hamburg zu sehen war - im Originalton mit englischen Untertiteln. Die Geschichte ist nicht komplex, geschweige denn kompliziert, sie erinnert an „Con Air“: Mehrere Schwerverbrecher sollen auf einem alten Containerschiff von den Philippinen nach Südkorea ausgeliefert werden. Mit an Bord sind auch Polizisten - und im Bauch des Frachters noch etwas Gefährlicheres.

Die Kamera leistet ganze Arbeit und ist ganz nah dran

Regisseur Kim Hong-seon drückt von Beginn aufs Tempo. Es geht hier alles andere als subtil zur Sache: Es wird fleißig gestorben. Konsequent. Kompromisslos. Das Ganze ist technisch hervorragend in Szene gesetzt und mit einem wuchtigen Sound unterlegt. Ach ja: Es flossen 2,5 Tonnen Kunstblut bei den Dreharbeiten, bei denen die Schauspieler mit Sicherheit an ihre Schmerzgrenzen gegangen sind. Simpler, aber genialer Kunstgriff: Der Sänger und Schauspieler Seo In-Guk ist in der Rolle des üblen und von unten bis oben tätowierten Straftäters Jong-Du zu sehen - leider viel zu kurz. Auch das spricht dafür, seine (westlichen) Sehgewohnheiten zu fordern und zu fördern. Weil es anders wirkt und somit erfrischend sein kann.

Zwei Familien posieren für ein Familienfoto. Schwarze Balken verdecken die Augen. Im Vordergrund steht der Titel: Parasite - Finde den Eindringling

Bluray-Cover des sozialkritischen Thrillers. Foto: Plaion Pictures

Zum Weiterschauen

„Parasite - Finde den Eindringling!“, verfügbar auf DVD/Bluray und kostenpflichtig zum Beispiel bei Amazon Prime oder Sky, 132 Minuten, ab 16 Jahren, CJ Entertainment/ Plain Pictures

Alexander Schmidt

Channel-Manager/Producer

Alexander Schmidt hat nach seinem NZ-Volontariat mehr als zehn Jahre lang als Redakteur bei der Zevener Zeitung gearbeitet. Der gebürtige Bremerhavener (Jahrgang 1976) ist seit September 2016 wieder für die NZ tätig. Schmidt ist stolzer Vater einer Tochter (Jahrgang 2014).

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