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Experten befürchten Ausbreitung des West-Nil-Fiebers

Einst warnte der Virologe Christian Drosten vor Corona. Jetzt fürchtet er, dass sich das West-Nil-Virus in ganz Deutschland ausbreitet– unter anderem wegen des Klimawandels. In Ostdeutschland kommt es schon seit einigen Jahren zu Infektionen.

Das West-Nil-Virus kann durch Mückenstiche übertragen werden.

Das West-Nil-Virus kann durch Mückenstiche übertragen werden. Foto: Uncredited/USDA Agricultural Research Service via AP/dpa

Nachdem er insbesondere in der Corona-Pandemie als Experte in Erscheinung getreten war, warnt der Charité-Virologe Dr. Christian Drosten inzwischen vor einer weiteren Erkrankung – dem West-Nil-Virus (WNV), auch West-Nil-Fieber genannt. „Die Zahl der Stechmücken, die das Virus mit sich tragen, scheint aktuell zu steigen“, sagte er kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Er führe die Entwicklung auch auf den Klimawandel zurück, denn das Virus sei über Zugvögel aus den Tropen nach Deutschland gebracht worden. „Man weiß, dass es inzwischen hier überwintert, wohl auch, weil es nicht mehr kalt genug wird“, so Drosten. Wir beantworten wichtige Fragen über das Virus:

Wie gefährlich ist das WNV?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) schreibt, dass die meisten Infektionen klinisch unauffällig verliefen. Bei 20 Prozent der Infizierten entwickelten sich allerdings grippeähnliche Symptome – etwa Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen und Schwellungen der Lymphknoten. Etwa die Hälfte der grippeähnlich Erkrankten bekommen laut RKI außerdem einen Hautausschlag. „Nur etwa jede 100. infizierte Person erkrankt schwer“, heißt es. Die Folge: eine Hirnhautentzündung oder, noch schlimmer, eine Gehirnentzündung.

Mögliche Symptome eines solch schweren Krankheitsverlaufs sind beispielsweise Wesensveränderungen, schlaffe Lähmungen, epileptische Anfälle oder Muskelschwäche. In der Regel heile die Erkrankung komplikationsfrei aus, so das RKI. Bei Patienten mit einer Gehirnentzündung seien Spätfolgen allerdings zu 50 Prozent wahrscheinlich. Fünf bis zehn Prozent der schwer Erkrankten sterben.

Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) schreibt, dass ältere Menschen und Personen mit einem geschwächten Immunsystem besonders gefährdet seien.

Wie wird das Virus übertragen?

Hauptsächlich wird das Virus von Mücken zwischen Vögeln übertragen. An Vögeln infizierte Mücken können das Virus aber auch auf Menschen und andere Säugetiere übertragen, vor allem sind Pferde betroffen. Als Hauptverbreiter unter den Insekten gelten die auch in Deutschland heimischen Culex-Mücken.

Laut RKI richtet sich die Verbreitungszeit des WNV nach der günstigen Saison für Stechmücken – in Deutschland ist die Gefahr demnach im Spätsommer und Frühherbst erhöht, in Südeuropa sogar bis in den November hinein. Übertragungen sind etwa auch durch Organtransplantationen oder Bluttransfusionen denkbar.

Gibt es Fälle in Ostfriesland beziehungsweise Deutschland?

Die Gesundheitsämter der ostfriesischen Landkreise und der Stadt Emden teilen mit, dass es bisher keine bekannten Fälle in unserer Region gegeben habe. „Eine Labor-Meldepflicht für den Nachweis einer akuten Infektion mit dem West-Nil-Virus besteht seit Mai 2016.

In der gesamten Zeit ist in Emden kein einziger Fall von WNV bekannt geworden“, schreibt etwa Dr. med. Dirk J. Obes, Amtsarzt der Stadt Emden. Betrachtet man ganz Deutschland, sieht die Lage allerdings anders aus. Für 2019 hat das RKI fünf Fälle bei Menschen identifiziert, für 2020 22, für 2021 vier und für das vergangene Jahr 17. Das macht 48 nachgewiesene und gemeldete Fälle seit 2019.

Dabei geht das RKI davon aus, dass es 2018 in Ostdeutschland zur Übertragung des Virus von Vögeln auf Mücken gekommen ist – und sich die Menschen seither durch Mücken infiziert haben. Und: „Da nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome zeigt und nur etwa einer von 100 Infizierten schwer erkrankt, ist davon auszugehen, dass es weitere nicht-diagnostizierte Infektionen gab“, heißt es.

Wie sind die Aussichten?

Das Laves schreibt, dass sich die Nachweise in Deutschland zwar auf den Osten des Landes beschränkten, eine Ausbreitung nach Westen in den nächsten Jahren allerdings wahrscheinlich sei. „Das Vorkommen von WNV-Fällen über mehrere Jahre zeigt an, dass WNV auch in Deutschland überwintert und im Sommer ausreichend günstige klimatische Bedingungen vorfindet“, schreibt das RKI.

Es sei damit zu rechnen, dass sich das Virus „weiter etabliert und es in den kommenden Jahren insbesondere in den schon bestehenden Gebieten, aber vielleicht auch in weiteren Gebieten, zu einem saisonalen Vorkommen von WNV-Erkrankungsfällen kommen wird“.

Wie kann ich mich schützen?

Einen Impfstoff für Menschen oder Tiere gibt es dem Laves zufolge nicht, wohl aber für Pferde. Ist man erst einmal erkrankt, werden dem RKI zufolge lediglich die Symptome behandelt: „Es gibt keine spezifische antivirale Therapie.“ Das Laves schreibt: „Durch das Tragen langer Kleidung kann man sich selbst vor Mückenstichen schützen.“

Außerdem könne auf Mücken-Abwehrstoffe wie Sprays gesetzt werden. Drosten sagte, dass derzeit an einem Impfstoff für Menschen gearbeitet werde. Ob und wann dieser verfügbar sein wird, ist allerdings noch unklar.

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