Alles war im Umbruch. Ein Umzug von Hannover nach Otterndorf, ein Arbeitsvertrag, der nicht verlängert wurde, Pandemie und Kita-Schließungen, gefühlt war immer eins der zwei Kinder krank. Die Welt von Joanna Possekel hat sich mehrfach auf den Kopf gestellt, der Weg zurück in den alten Beruf schien ihr fast unmöglich. Deswegen ging sie nach vorn. Im August 2021 gründete sie die Philuna Manufaktur und machte ihre Leidenschaft - das Nähen - zum Beruf. Auf Knopfdruck ging das jedoch nicht.
Im Kindergarten entdeckte die heute 39-Jährige einen Flyer der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft des Landkreises Cuxhaven, nahm sofort Kontakt auf und fühlte sich direkt gut aufgehoben. „Da sitzen Frauen, die ähnliche Situationen selbst kennen und die mich sofort verstanden haben“, sagt die Gründerin. Zum Beispiel Nicole Neuber, Leiterin der Koordinierungsstelle. Sie unterstützt Existenzgründerinnen wie Joanna Possekel.
Kostenloses Rundumpaket für Frauen aus dem Cuxland
Das kostenlose Beratungsangebot der Koordinierungsstelle richtet sich an alle Frauen im Landkreis Cuxhaven. Egal, wie alt, ob sie sich beruflich neu orientieren, nach der Familienphase wieder zurück in den Job oder eine eigene Firma gründen wollen. Für Letzteres muss nicht mal eine konkrete Idee aus der Schublade gezogen werden, erklärt Nicole Neuber, „Wir helfen ihnen auch, Potenziale zu erkennen und unterschiedliche Möglichkeiten zu sondieren.“
Das „Was“ war Possekel schnell klar - aber das „Wie“? Businessplan, Buchhaltung, Steuern, Anmeldung, Marketing, soziale Medien: Possekel machte sich auf den Weg, führte intensive Gespräche mit Neuber, besuchte sämtliche Workshops der Ko-Stelle - und hatte es sich alles ein kleines bisschen leichter vorgestellt.

Die Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft unterstützt Frauen bei der Gründung ihrer eigenen Firma und darüber hinaus: Joanna Possekel aus Otterndorf hat sich mit ihrer Philuna Manufaktur vor zwei Jahren selbstständig gemacht. Foto: Gallas
Zaghaft, doch mutig ins Business
Sie sei ein eher vorsichtiger Mensch, sagt die 39-Jährige über sich selbst. Will sie gleich groß investieren, womöglich das gesamte Ersparte in das eigene Geschäft stecken? „Man macht sich ja dann doch Gedanken, ob die Produkte den Kunden so gefallen werden, wie sie mir gefallen und ob es jemand kaufen wird“, erinnert sie sich an anfängliche Ängste. Es hinge ja auch die ganze Familie daran. Doch mit Hilfe der Koordinierungsstelle fasste sie sich ein Herz.
2021 war sie eine von 490 Einzelunternehmerinnen im Cuxland, die gegründet haben. Seit 2018 steigen die Zahlen stetig. Während 2018 von 938 Einzelunternehmen 361 von Frauen gegründet wurden, waren es 2021 bereits 490 von 1.262, wie das Landesamt für Statistik Niedersachsen mitteilt. Im Cuxland gründeten 2021 mit 38,8 Prozent überdurchschnittlich viele Frauen im Vergleich zum Rest Niedersachsens. Trotzdem sind es immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Warum ist das so?
Care-Arbeit auf den Schultern der Frauen
Ein Grund: Generell sei der Anteil der Frauen am Erwerbsleben immer noch geringer als Männer. Was aber noch wichtiger sei, ist das geringere Arbeitsstundenpotenzial bei Frauen. Das sagt Ulrike Langer, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit Stade. Die meiste Care-Arbeit liege immer noch auf den Schultern der Frauen. Sie pflegen Familienmitglieder und kümmern sich um die Kinder. Doch gerade in ländlichen Räumen gebe es oft nur eine Vormittagsbetreuung, die mit Fahrtzeiten zum Job nicht mal für einen Teilzeitjob reichten.
Mangelnde Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses und finanzielles Risiko können eine Bremse bei der Gründung sein. Doch die Selbstständigkeit kann auch eine Chance für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein, weiß Nicole Neuber. Selten stehe das große Geld hinter der Gründungsmotivation. Es gehe vielen Frauen um Flexibilität und darum, dem eigenen Ruf, dem Herzen zu folgen.
Gründungszuschuss und Microstarter
Dadurch, dass Joanna Possekel arbeitslos gemeldet war, konnte sie einen Antrag auf Gründungszuschuss stellen. 300 Euro für sechs Monate plus Verlängerung. Ansonsten gründete sie mit minimalen Mitteln, wie sie sagt, und meint einen höheren vierstelligen Betrag. Für Menschen ohne Anspruch auf Unterstützung gebe es Gründungskredite, zum Beispiel Microstarter, eine Förderung des Landes Niedersachsen, sagt Neuber. In Geduld müssten sich alle Gründer üben. Mindestens ein halbes Jahr Vorlauf sollten sie einplanen und ungefähr ein Jahr, bis das Geschäft läuft.
In den vergangenen Monaten lernte Joanna Possekel, was gut für sie und ihre Kunden funktioniere und was nicht. Sie änderte ihr Angebot, holte sich regelmäßig Feedback, welche Farben gehen, Reißverschluss - ja oder nein? „Mittlerweile habe ich ein gutes Gefühl dafür, was sich verkauft.“ Und mit allen anderen Fragen kann sie sich auch noch zwei Jahre nach der Gründung an die Beraterinnen der Ko-Stelle richten.

„Es ist schön zu sehen, mit welcher Freude sie dabei ist, dass es mit der Familie klappt und das Netzwerk funktioniert. So macht unsere Arbeit richtig Spaß.“
Netzwerken ist die halbe Miete
Denn nachhaltiges Netzwerken sei wichtig, sagt Neuber. Aus dem Gründerinnen-Workshop ist eine WhatsApp-Gruppe mit anderen Selbstständigen entstanden, im Gründerinnencafé können sich Frauen einmal im Monat austauschen, der Unternehmensverbund „Ideenhaven im Landkreis Cuxhaven e. V.“ bietet ebenfalls ein Netzwerk.
Eine Garantie auf Erfolg kann es nicht geben, aber die Mitarbeiterinnen der Ko-Stellen spannen so gut es geht ein Netz, in das sich Gründerinnen vertrauensvoll fallen lassen können.
Würde Joanna Possekel den Schritt noch einmal wagen? Viel Gewinn mache sie mit ihrem Geschäft zwar noch nicht, aber gerade nehme das Geschäft Fahrt auf, die Ideen sprudelten, das Selbstbewusstsein komme - und Familie und Job? Ließen sich hervorragend vereinbaren. Zurück in eine Anstellung möchte sie nicht. „Das war eine gute Entscheidung. Es macht tierischen Spaß und ich freu mich einfach, mich jeden morgen an meinen Arbeitsplatz zu setzen.“
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