Es stimmt, leider: „Ich sah des Sommers letzte Rose steh’n, sie war, als ob sie bluten könne, rot...“ Friedrich Hebbel. Ich sah aber nicht allein diese glutrote, fragile Schönheit an der Hausmauer meiner Freundin den ruppigen Böen und dem peitschenden Regen trotzend.
Das Leben ist nun mal bei Weitem nicht lyrisch und Poesie leider kein Allheilmittel. Nein, ich sah heute früh des Sommers letzte Mücke steh’n: auch fragil, sechsbeinig an die Fensterscheibe geklebt, dem Morgendunkel trotzend. Und offenbar weitsichtig.
Denn während ich noch überlege, ob meine Zeitung zur mörderischen Klatsche wird oder ich warte bis abends und - falls sie nicht zuvor den Weg ins Freie gefunden hat - den Anti-Mücken-Stecker installiere, fällt sie einfach ab. Liegt reglos auf der Fensterbank. Konnte sie Gedankenlesen?
Aus buddhistischer Sicht nicht verwunderlich, verändert doch der Flügelschlag des Schmetterlings den Gang des Weltgeschehens. Meine Fehde gegen Mücken zieht sich seit dem Frühjahr durch die Saison, auch in diesen Moins. Nu is’ Schluss.
Statt mich über das freiwillige „Ciao“ der Stichwütigen zu freuen, bin ich wehmütig, sie setzt halt ein weiteres Puzzleteilchen ins Bild des Herbstes. Eines weiß ich aber in all dem sonstigen Nichtwissen: Im nächsten März werde ich jeder früh vorbeisirrenden Mücke, Vorbotin hellerer, wärmender Zeiten, einen roten Teppich ausrollen - aus Zuckerstaub und von mir aus einem Tröpfchen Schwanenblut aus dem Finger. Den kleinen Pieks ist der Ausblick auf Frühling mir wert!