Bremerhaven

Stadttheater Bremerhaven punktet mit großen Stoffen und neuen Angeboten

Das Publikum kommt langsam zurück. Doch das reicht Lars Tietje, dem Intendanten des Stadttheaters Bremerhaven, nicht. Deswegen setzen er und sein Team in der Spielzeit 2023/24 vor allem auf neue Angebote und große Stoffe.

Noch bleiben die Plätze im Großen Haus oft leer. Das Team des Stadttheaters hofft, dass sich das in der neuen Spielzeit ändert. Das neue Spielplan-Heft lockt mit vielen Angeboten.

Noch bleiben die Plätze im Großen Haus oft leer. Das Team des Stadttheaters hofft, dass sich das in der neuen Spielzeit ändert. Das neue Spielplan-Heft lockt mit vielen Angeboten. Foto: Lothar Scheschonka

Um die Zuschauer ins Schauspiel, Ballett, Musiktheater und Sinfoniekonzert zu locken, brauche es „kluge Ideen und kreative Ansätze“, ist Kulturstadtrat Michael Frost überzeugt. „Das Stadttheater ist da auf dem richtigen Weg“, lobt er.

Intendant Lars Tietje betont, das ihm die Silbe „Stadt“ in dem Wort „Stadttheater“ besonders wichtig sei. „Denn wir machen Theater für alle in einem ‚der schönsten Gebäude in der Innenstadt‘.“ Doch eben nicht nur dort. Sein Team und er bespielen in der kommenden Saison nicht nur das Stammhaus am Theodor-Heuss-Platz, sondern strömen hinaus hin die Stadt - allen voran Generalmusikdirektor Marc Niemann und das Philharmonische Orchester Bremerhaven. So wollen die Musiker kleinere Konzerte in den Stadtteilen geben. Diese einstündigen Formate sollen ebenfalls in Bad Bederkesa und Beverstedt ausprobiert werden.

Unter 25 kostenlos ins Theater

Niemann geht es dabei auch darum, jüngere Zuschauer zu gewinnen. Um die in die Oper und die Sinfoniekonzerte zu locken, ist er auf die Idee gekommen, diese Veranstaltungen für alle unter 25 Jahren sowie Flüchtlinge kostenlos anzubieten. „Da geht doch niemand ein Risiko ein“, so der Generalmusikdirektor. „Wem es nicht gefällt, der kann ja in der Pause wieder gehen.“

Sie setzen auf große Stoffe: der Leiter des Schauspiels Peter Hilton Fliegel (von rechts), Intendant Lars Tietje und Generalmusikdirektor Marc Niemann (links). Das freut auch Kulturstadtrat Michael Frost (2. von links).

Sie setzen auf große Stoffe: der Leiter des Schauspiels Peter Hilton Fliegel (von rechts), Intendant Lars Tietje und Generalmusikdirektor Marc Niemann (links). Das freut auch Kulturstadtrat Michael Frost (2. von links). Foto: Lothar Scheschonka

Für alle Älteren muss der Intendant ein wenig Wasser in den Wein schütten. Der Eintritt fürs Theater wird teurer. Die Karten werden in der kommenden Saison vier Prozent mehr kosten. Von einer „maßvollen Erhöhung“, spricht Tietje, die in etwa der Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst entspricht. Aufführungen, die vor allem Kinder und Familien ansprechen, sind davon ausgenommen.

Die Premieren des Schauspiels

Mit großen Stoffen und Ensemblestücken will Peter Hilton Fliegel, der Leiter des Schauspiels, punkten. Zur Spielzeit-Eröffnung steht ein Klassiker der Weltliteratur im Großen Haus auf dem Programm, Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“. Der Dichter entlarvt in dem Stück eine Justiz, die nach außen für Gerechtigkeit steht, aber durch und durch korrupt ist. Der Dorfrichter Adam sei für Schauspieler immer eine Traumrolle, versichert Fliegel. Weiter geht es mit der Musicalparodie „Spamalot“ - frei nach der Geschichte von „König Artus und den Rittern der Tafelrunde“ von Monty Python. „Das Stück veräppelt singende Schauspieler“, verspricht Fliegel. „Tartüff oder der Geistige“, John von Düffels Bearbeitung von Molières Komödie, prangert die Doppelmoral derjenigen an, die Wasser predigen, aber Wein trinken - damals und heute. Aber das ohne erhobenen Zeigefinger. Zum Abschluss der Saison dürfen sich „Romeo und Julia“ auf der Sommerbühne anschmachten.

Im Kleinen Haus geht es ernster zu. Die Uraufführung „Light my fire“ widmet sich den Doors und ihrem legendären Frontmann Jim Morrison. In „Tom auf dem Lande“ zeigt Michel Marc Bouchard, dass zwei Männer, die miteinander leben, in der tiefen Provinz noch immer nicht akzeptiert werden. In „Der Vorfall“ thematisiert Deidre Kinahan sexuelle Gewalt, Dennis Kelly in „Waisen“ Ausländerhass.

Die Premieren im Jungen Theater

„Wir denken das Theater vom Publikum aus“, betont Bianca Sue Henne, die Leiterin des Jungen Theaters (JUB). „Erich Kästner sorgt seit Generationen für Begeisterung. Deswegen zeigt das JUB in der Vorweihnachtszeit im Großen Haus „Das doppelte Lottchen“. Henne weist außerdem auf das Schauspiel „Die Biene im Kopf“ hin, das erste, das der renommierte Autor Roland Schimmelpfennig für Kinder geschrieben hat. „Das Stück könnte in Bremerhaven spielen“, so Henne. Denn es handelt von einem Kind, das nur mit Hilfe seiner Fantasie die familiären, sozialen und schulischen Schwierigkeiten übersteht.

Die Premieren im Musiktheater

Das Musiktheater will mit „Hänsel und Gretel“, der Märchenoper von Engelbert Humperdinck, ebenfalls das junge Publikum anlocken. „Wir bieten speziell Workshops für Kinder an“, kündigt Markus Tatzig an, der Leiter des Musiktheaters. Los geht es allerdings mit einem Stoff für Erwachsene: Giacomo Puccinis „Tosca“. Ein weiterer Höhepunkt sei, so Tatzig, die Weihnachtspremiere: „Rusalka“, die Oper von Antonin Dvorak, soll in tschechischer Sprache gesungen werden. „Die Sopranistin hat sich bereits eine Sprach-App heruntergeladen“, verrät Tatzig.

Stadttheater Bremerhaven punktet mit großen Stoffen und neuen Angeboten

Für Marc Niemann ist „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss ein Werk, auf das er sich besonders freut. „Das war eine der ersten Opern, die ich betreut habe“, erzählt er. „Allerdings durfte ich sie damals noch nicht dirigieren. Nun bin ich Chef und darf es machen.“ Die Musiktheater-Crew plant ebenfalls ein Musical: „The Apple Tree“ von Jerry Bock und Sheldon Harnick, frei nach einer Geschichte von Mark Twain.

Die Sinfoniekonzerte

Die Konzert-Saison steht unter dem Motto „Fremde Heimat“. „Wir haben das Thema gewählt, weil es in Bremerhaven eine Rolle spielt - nicht erst seit der Flüchtlingswelle“, so Niemann. In jedem Konzert wird ein Komponist zu hören sein, der emigriert ist.“ So wie der Ukrainer Walentyn Sylvestrow, der mittlerweile in Deutschland lebt. Oder wie Fazil Say, der in der Türkei verfolgt wird. Vor den deutschen Invasoren flüchtete Mieczylav Weinberg nach Moskau. Paul Ben-Haim rettete sich 1933 vor dem Nazi-Terror nach Palästina. Es gab natürlich auch Komponisten, die in ihrer Heimat verstummten wie Karl Amadeus Hartmann, der sich nicht vom NS-Regime vereinnahmen lassen wollte. Als einen Höhepunkt hebt Niemann noch das Konzert „Play and conduct“ hervor, das ohne Dirigent am Pult über die Bühne geht. Antje Weithaas wird gleichzeitig Geige spielen und dirigieren. Die Kammerkonzerte werden in dieser Saison im New-York-Saal des Deutschen Auswandererhauses stattfinden - das passt zum Thema.

Die Premieren im Ballett

Ballettdirektor Alfonso Palencia eröffnet die Spielzeit mit dem zweiteiligen Abend „Seelen“. Für den ersten Teil hat sich als Gast den spanischen Choreografen Cayetano Soto eingeladen, der die Einsamkeit und Verzweiflung auf einer Bohrinsel thematisiert. Den zweiten Teil bestreitet Palencia selbst, auch dieser Part verhandelt Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Um Menschen und Naturgewalten geht es in der zweiten Ballett-Premiere „Die vier Jahreszeiten“. Palencia will Vivaldis Spiel zwischen Mensch und Natur herausarbeiten. Deswegen nutzt er nicht das Original, sondern die musikalische Bearbeitung von Max Richter. Lars Tietje freut sich schon auf diese Interpretation: „Ich habe das Stück schon gesehen, aber noch nie mit Live-Orchester“, sagt er.

„Ich bin begeistert vom Team, von den Möglichkeiten, die wir hier haben“, lobt Alfonso Palencia, der seit einem Jahr in Bremerhaven ist. Und ergänzt: „Alle Sparten arbeiten hochqualitativ.“ Da ist es kein Wunder, dass sich Kulturstadtrat Michael Frost auf die neue Spielzeit freut. Jetzt muss nur noch das Publikum ins Theater strömen.

Stadttheater Bremerhaven – Das Programm 2023/2024 im Überblick

Quelle: Stadttheater Bremerhaven

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Standpunkt von Anne Stürzer - Mein Standpunkt

Das ist der richtige Weg

Klotzen, nicht kleckern - das ist die Devise des Stadttheaters. Das ist richtig so. Denn das Publikum kommt zwar zurück, aber immer noch recht zögerlich. Daher geht es völlig in Ordnung, im Großen Haus auf Publikumsrenner zu setzen und die Experimente ins Kleine Haus zu verlegen.Vor allem die Musiktheater-Sparte punktet mit neuen Angeboten. Alle unter 25-Jährigen zu einem kostenlosen Besuch einzuladen, ist eine prima Idee. Vielleicht habe ich dann in der nächsten Spielzeit nicht mehr das Gefühl, die Jüngste im Sinfoniekonzert zu sein.

Anne Stürzer
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