Das Gesicht des Mannes in Rot - es kann nur ein Mann sein, allein die herrschaftliche Pose verrät sein Geschlecht - ist nur ein schwarzer Fleck mit hellen Einsprengseln. Seine Kleidung, der Speer in seiner Hand weisen ihn aus als jemanden aus einem anderen Zeitalter. Das Bildnis des Mannes, zu dessen Füßen ein Dackel tollt, scheint in einem anderen Jahrhundert entstanden zu sein. Doch der Eindruck täuscht, gemalt hat ihn der Bremer Künstler Nils Rüdiger, Jahrgang 1966. Mit Werken, die sich alle mit dem Barock auseinandersetzen, bestreitet er die Geburtstagsausstellung in der Galerie Goethe45.
„Das ist ein Riesenprojekt“, erzählt Rüdiger. Er hatte, so formuliert er es, „das rätselhafte Bedürfnis, das, was ich im Angesicht barocker Kunst wahrnehme und empfinde, was mich anspricht und irritiert, zu erfassen und dafür eine eigene Form zu finden“.
Zunächst eng an die Vorlagen gehalten

Anne Schmeckies war so fasziniert von den Arbeiten Nils Rüdigers, dass sie ihn einlud, die Ausstellung zum zehnten Geburtstag der Goethe45 zu bestreiten. Foto: Privat
Nils Rüdiger beschäftigt sich nicht erst seit gestern mit dem Barock. „Woher das Wort stammt, ist bekannt?“, fragt er. Und setzt gleich zu einer Erklärung an. „Die Juweliere in Portugal bezeichneten als ,barocco‘ unregelmäßige, schiefe Perlen.“
Das Zeitalter des Barocks war geprägt durch Umbrüche. Alte und neue Vorstellungen prallten aufeinander, auf der einen Seite die religiösen Eiferer, die die Hexenverbrennungen organisierten, auf der anderen die Philosophen der Aufklärung wie der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibnitz.
Philosophische Ideen inspirieren den Maler
Leibnitz hatte die Idee von einer Ur-Einheit, der Monade, in der alles bis zur Unendlichkeit gefaltet ist und in der bereits jede Möglichkeit enthalten ist. Wie lässt sich diese Idee in Malerei umsetzen? Rüdiger bekennt: „Auch in meinen Bildern ist alles gefaltet.“ Stimmt - nur dass bei dem Zeitgenossen die Formen immer abstrakter werden. Rüdiger löst sich immer mehr vom Gegenstand. Jede Pose und jedes Gewand fächert der Künstler so lange auf, bis nur noch die reine Form übrig bleibt. Und die Farbe natürlich. Und da vor allem Petrol und Pink. Anders gesagt: In der Serie „irregular shapes“ übersetzt er barocke Ideen in abstrakte Farben. In einem dritten Schritt spielt der Künstler aus Bremen noch stärker mit Licht und Schatten, die Formen erobern den Raum.

Nils Rüdigers „Barockdame“ scheint einem Adelsporträt entsprungen. Foto: Privat
Auf einen Blick
Was: „Nils Rüdiger: irregular shapes“Wo: Galerie Goethe45 in der Goethestraße 45Wann: Bis zum 30. Juli. Die Schau ist dienstags, donnerstags und sonntags von 16 bis 18 Uhr zu sehen.