Karin Cordes-Zabel und ihr Mann Frank Cordes lieben das Reisen - vor allem mit der Eisenbahn. Die beiden sind häufig unterwegs - gefühlt jede Woche, echte „Dauerfahrer“. Wer gerne mit englischen Begriffen hantiert, kann zu den beiden auch „Heavy User“ sagen.
Das Besondere am Ehepaar Cordes: Karin sitzt wegen einer schweren Behinderung im Elektro-Rollstuhl. Das macht das Reisen nicht immer einfach - gerade mit der Eisenbahn.
Cordes-Zabel hat eine Bewegungsstörung
Cordes-Zabel leidet unter einer Zerebralparese. Die Bewegungsstörung hat sie seit Geburt, auch ihr Sprachvermögen ist von der Erkrankung betroffen. Die 53-Jährige ist auf ihren E-Rollstuhl angewiesen.
Mit dem Ellenbogen kann sie einen Schalter bedienen, der per Bluetooth mit einem Sprachcomputer verbunden ist. Sie kann Buchstaben und Wörter eintippen. Eine männliche Stimme ertönt dann aus dem Lautsprecher und liest den eingegebenen Text vor.
Der Alltag am Bahnhof kann für Reisende mit Handicap grausam sein: Mal funktioniert im Zug der Hublift für den Rollstuhl nicht. Dann fehlt an den Bahnhöfen trotz vorheriger Anmeldung auch schon mal das Servicepersonal. Oder man darf nicht mitfahren, weil das Behinderten-WC im Intercity verstopft ist.
Den schweren E-Rollstuhl in den Zug heben - das funktioniert nicht
Wenn die Technik am Bahnhof versagt, kommen schon mal übermütige Bahnmitarbeiter auf den Gedanken, den E-Rollstuhl von Karin Cordes-Zabel einfach in den Zug rein- oder rauszutragen. Das verursacht bei Frank Zabel heftigste Schnappatmung: „Das geht nicht. Der Rollstuhl allein wiegt schon 200 Kilo. Er hat mehrere Motoren, kann automatisch hochfahren. Einfach in den Zug reinheben - das geht nicht.“
Doch die beiden Bremerhavener lassen sich nicht abschrecken. Sie sind gerne mit der Deutschen Bahn unterwegs. „Wir lieben das Bahnfahren. Das ist die Zukunft“, sagt Frank Cordes.
Das Ehepaar ist häufig unterwegs. Mal eine Tagestour nach Köln, dann ab zum Bodensee, nach München, später Berlin. Kreuz und quer durch Deutschland, ab und zu auch nach Österreich.
Das Ehepaar Cordes fährt gerne nachts
Gerne fahren die beiden Bremerhavener mit ICE-Nachtzügen. „So haben wir mehr vom Tag, wenn wir unterwegs sind“, sagt Frank Cordes. „Es gibt aber noch einen anderen Aspekt. Durch das sanfte Rütteln im Zug kann Karin gut schlafen. Das bekommt ihr - was auch ihr Arzt so sieht.“
In Ulm sind wir mit dem Bordhublift des ICE 4 in 5 Minuten rausgekommen.
— Frankyman (@DerFrankyman) February 2, 2024
Als ich bemerkte, dass es wieder hakelig wird und nicht weiter geht, habe ich freundlich meine Hilfe angeboten und konnte mit ein paar Tipps dafür sorgen, dass es gut und schnell klappte.
Man war sehr… pic.twitter.com/pOlyrdlfqM
Nochmal zum Einstieg in Ulm:
— Frankyman (@DerFrankyman) February 3, 2024
Zuerst die Frage "Sind Sie angemeldet?" und dann "Und wo ist dann der Hublift?", gefolgt von "Ach ja, Sie stehen ja drin" nach dem Blick auf das Diensthandy.
Klar, zuerst ist ja der Fahrgast potenziell Schuld, weil er nicht angemeldet sein könnte… pic.twitter.com/auyPWll0AJ
Das Cordes-Duo dokumentiert seine Touren auf „X“ (vormals Twitter), Instagram und Youtube. Wenn etwas nicht funktioniert, es Ärger oder Stress gibt, wird das in Videos oder Beiträgen festgehalten. Aber auch Lob für die Bahn bekommt in Social Media ihren Platz. Denn: „Bahnfahren ist das Beste, wenn man weite Strecken zurücklegen muss“, sagt Frank Cordes.
Das Ehepaar Cordes hat viele Follower und Fans. Die Reichweite ist enorm. „Auf Twitter hatte ich mal einen Tweet abgesetzt, der erreichte fünf Millionen Klicks“, sagt Frank Cordes.
Es ist nicht übertrieben: Karin Cordes-Zabel und ihr Mann Frank Cordes sind Botschafter - Botschafter für Tausende Menschen mit Handicap, die sich Barrierefreiheit im Schienenverkehr wünschen. Ohne fremde Hilfe eine Reise machen, das wär’s.
Bahncard 100 wird über Crowdfunding finanziert - große Resonanz
Dieses „Botschaftersein“ zahlt sich aus: Karin Cordes-Zabel nutzt für ihre Rollstuhl-Touren eine Bahncard 100. Und die wurde jetzt gerade zum zweiten Mal über die große Internet-Fangemeinde per Crowdfunding finanziert. Beim ersten Mal dauerte es neun Tage, bis die knapp 4.500 Euro zusammen waren. „Beim zweiten Mal stand die Summe bereits innerhalb eines halben Tages“, berichtet Frank Cordes, der als Begleiter seiner behinderten Frau kostenlos mitfahren darf. „Diese Crowdfunding-Idee kam gar nicht von uns. Aber natürlich freuen wir uns riesig, dass es diese tolle Unterstützung gibt.“
Haben wir auch noch nie im Zug gemacht. Eine Lauf- und Stehübung ohne Rollstuhl im Gang.
— Frankyman (@DerFrankyman) February 2, 2024
Man muss ja die viele Zeit sinnvoll nutzen. pic.twitter.com/A4PnjtKzHK
Mehrere Fernsehsender haben schon über das Bremerhavener Ehepaar berichtet. Sie waren zu Gast bei Podcastern. Zeitungen berichteten. Die Cordes-Crew besitzt Kultstatus.
Auch bei der Deutschen Bahn weiß man, wie beliebt die beiden Bremerhavener sind. Der Konzern hat das Ehepaar schon zum Austausch eingeladen und will wissen, wenn bei den Touren mit ICE und Co. irgendwas nicht funktioniert.
Mit ordentlich Verspätung in der Stadt mit der größten Bahnhofskapelle angekommen. pic.twitter.com/KgFJmMPZuN
— Frankyman (@DerFrankyman) February 2, 2024
90.000 Bahnkilometer haben Karin Cordes-Zabel und ihr Ehemann Frank in 2023 auf der Schiene abgerissen. „Vielleicht knacken wir in 2024 die 100.000er-Marke“, sagt Frank Cordes. Auf jeden Fall soll im Internet weiter fleißig von den Reisen berichtet werden. Denn der Kampf für das barrierefreie Bahnfahren ist längst noch nicht vorbei. Es bleibt viel zu tun.