Die Kunden in Sellstedt sind begeistert von Deutschlands ungewöhnlichstem Tante-Emma-Laden. Gertrud Hamel zum Beispiel. „Es ist super, dass wir Tante Enso haben. Die Auswahl ist gut, die Mitarbeiter sind nett und hilfsbereit. Es stimmt alles“, findet die 93-Jährige. Fast alles jedenfalls. Das Einzige, was die Sellstedterin - wie fast alle Kunden - vermisst, ist eine Frischfleisch-Theke. „Aber sonst ist alles da. Wir müssen gar nicht mehr nach Schiffdorf oder Wehdel“, freut sie sich.

Auch Gertrud Hamel hat sich eine Kundenkarte geholt. Aber die 93-Jährige ist ehrlich: „Ich kaufe lieber ein, wenn jemand an der Kasse steht.“ Foto: Hansen
Dass in dem neuen Lebensmittelmarkt vor allem nach den eigentlichen Öffnungszeiten was los ist, hat auch Ortsbürgermeister Ralf Wolter beobachtet. Tagsüber, so der SPD-Mann, sei bei Tante Enso nicht viel mehr los als bei den Vorgängern. „Aber der 24-Stunden-Service wird angenommen.“ Rund um die Uhr geöffnet, sieben Tage in der Woche - das ist die Idee, mit der die Firma MyEnso dem Tante-Emma-Laden zur Renaissance verhelfen will. In Sellstedt öffnete vor vier Monaten der erste Enso-Markt im Cuxland. Das Konzept, das sich die Enso-Erfinder Thorsten Bausch und Norbert Hegmann ausgedacht haben, verbindet die Vorteile des Tante-Emma-Markts - der Treffpunkt im Dorf zu sein - mit den Vorteilen moderner Supermärkte wie lange Öffnungszeiten und ein großes Sortiment. Denn was es vor Ort nicht gibt, kann man im Online-Handel von Bausch und Hegmann bestellen. Tante Emma 2.0 sozusagen.

Etwa 800 Sellstedter haben sich bisher eine Kundenkarte geholt. „Eine gute Bilanz“, findet Enso-Filialleiterin Fay Disse. Foto: Hansen
Jana Behre: „Das Sortiment ist top“
Viele Sellstedter nutzen das. Rund 800 Kundenkarten hat Sellstedts Filialleiterin inzwischen verteilt, bei knapp 2.000 Einwohnern eine gute Bilanz, findet sie. Jana Behre besitzt eine davon. Die 34-Jährige kommt mehrmals die Woche, manchmal sogar zwei Mal am Tag. „Immer wenn ich merke, dass zu Hause etwas fehlt“, sagt sie und lächelt. Diesmal fehlen Brühwürfel. Aber Zeitschriften, Äpfel und Käse liegen auch in ihrem Einkaufskorb. „Das Sortiment ist top“, sagt sie. Nur das Frischfleisch fehle.
Jetzt, kurz vor Mittag, füllt sich der Laden doch noch. Und alle, die man anspricht, sind voll des Lobes. „24 Stunden geöffnet, mit Frische-Theke und Freundlichkeit - das ist perfekt“, schwärmt Frank Rademann. Der Laden sei eine absolute Bereicherung für den Ort.

Sellstedts Bürgermeister Ralf Wolter freut sich sehr, dass der 2.000-Einwohner-Ort einen Einkaufsladen hat. Foto: Hansen
Thorsten Bausch: „Geschäft bislang durchwachsen“
Jetzt ruhen alle Hoffnungen auf Tante Enso. „Das Konzept ist gut“, ist Wolter überzeugt und zeigt auf das gut sortierte Angebot mit Frischeprodukten, Obst und Gemüse, Wurst von Mühlenbeck und Fisch von Abelmann. Doch es muss auch gekauft werden. Enso-Geschäftsführer Bausch ist nach den ersten Monaten noch nicht zufrieden. „Durchwachsen“ sei das Geschäft in Sellstedt bisher verlaufen, so der Enso-Gründer. „Wir kommen so über die Runden, aber an anderen Standorten läuft es besser.“ Woran das liegt, das kann Bausch nur vermuten. Sellstedt, sagt er, biete viel Potenzial. „Aber wir hatten dort zeitweise gewaltige Lieferengpässe.“ Zudem fehle es an regionalen Lieferanten. Das sei auch der Grund, warum dort kein Frischfleisch angeboten wird. „Wir haben sogar auf den Wochenmärkten in der Region nach Lieferanten gesucht, aber bisher leider niemanden gefunden.“
Enso in Sellstedt
Der Enso-Laden liegt in der Sellstedter Bahnhofstraße und ist montags, dienstags, donnerstags, freitags und sonnabends jeweils von 8 bis 12 Uhr sowie montags und freitags von 16 bis 18 Uhr geöffnet und mit Personal besetzt.Außerhalb dieser Zeiten kann man dort mit Kundenkarte einkaufen. Produzenten aus der Region, die Interesse haben, den Laden zu beliefern, können sich unter 04703/9209647 an die Filialleiterin Fay Disse wenden.

Die meisten Enso-Kunden in Sellstedt machen es wie Frank Rademann: Sie kaufen außerhalb der Öffnungszeiten mit der Karte in dem 24-Stunden-Markt ein. Foto: Hansen