Irgendwann so im Alter von Anfang 50, war die gelernte Journalistin sich selber manchmal ein wenig ungeheuer. „Ich bin wegen Kleinigkeiten an die Decke gegangen“, erzählt Ilka D’Alessandro. „Einfach so. Aus dem Nichts“, sagt sie. „Dinge, wie die nicht richtig aufgeschäumte Milch beim Frühstück genügten, um mich regelrecht ausflippen zu lassen.“
Ihr Mann und ihr Sohn hätten sie dann entgeistert angeschaut, sich keinen Reim auf ihr Verhalten machen können. „Das konnte ich ja selber nicht. Ich habe mich dann selbst nicht wiedererkannt, das war furchtbar.“
Hormon-Status bestimmt
Zeitgleich stieß sie in einer Zeitschrift auf ein Interview mit Ellen Cornely-Peeters, die nicht nur das Buch „Ach, Menno“ über Wechseljahre geschrieben hat, sondern überdies Frauen in dieser speziellen Lebensphase berät. „Als ich das las, war mir schlagartig klar, wieso ich manchmal so ausrastete“, erinnert sich die heute 54-Jährige.
Ilka D’Alessandro buchte eine Beratung, ließ ihren Hormon-Status bestimmen und erfuhr: „Mein Östrogen und mein Progesteron, welches auch das Kuschelhormon genannt wird, waren im Keller, Testosteron höher.“ Die Beraterin erklärte ihr die Zusammenhänge: „Im Prinzip sind Wechseljahre so etwas wie Pubertät rückwärts, und natürlich haben die aus dem Ruder laufenden Hormone auch einen Einfluss auf unsere Gefühlswelt.“ Sie sei unendlich froh gewesen, dass sie endlich eine Erklärung für ihre enormen Gefühlsschwankungen hatte. „Und, dass ich meinem Mann und meinem Sohn das auch endlich erklären konnte.“ Ihr Mann habe verstanden, dass die Ausbrüche nichts mit ihm oder der Beziehung zu tun hätten. Auch für ihn sei das eine enorme Erleichterung gewesen.
Alte Probleme bereinigt
Die Moderatorin Katja Burkhard beschreibt in ihrem Buch „Menopause – Keine Panik“ eine ähnliche Krise, aber auch, wie dieses Geschehen schlussendlich ihre Ehe sogar gerettet hat, weil alte Probleme mit Macht auf den Tisch kamen und bereinigt werden konnten. „An einer Stelle zitiert sie den Hormon-Forscher Dr. Johannes Huber mit der These, dass wenn mehr Menschen um die hormonellen Geschehnisse in den Wechseljahren wüssten, weniger Ehen vor dem Scheidungsrichter landeten“, erzählt Ilka D’Alessandro.
Ihre eigenen Erfahrungen damit ließen in Ilka D’Alessandro den Entschluss reifen, sich selber zur Wechseljahre-Beraterin ausbilden zu lassen. „Irgendwann möchte ich selber beraten, vor allem auch irritierte Männer und Verwandte.“ Denn: Es gebe eine Menge Möglichkeiten –von Sport, über Ernährung, Selbstreflexion bis zu Hormon-Behandlungen –, mit deren Hilfe Frauen besser durch die Wechseljahre kämen und sie nutzen könnten, um sich neu zu finden.
Pro-Age-Bewegung macht Frauen über 50 sichtbar
Eine Frau, die für Ilka D’Alessandro hier ein markantes Beispiel ist, begegnete ihr ungefähr zur gleichen Zeit als Protagonistin eines Zeitschriften-Artikels: „Ich stieß auf ein Interview mit Caroline Ida Ours. In ihr habe ich mich irgendwie selbst gesehen“, berichtet sie und zeigt auf ein Bild der Französin, das neben ihrem Schreibtisch hängt. Das 60-jährige Model stehe für die Pro-Age-Bewegung und habe sich dem Bestreben verschrieben, Frauen über 50 sichtbarer zu machen. Weg vom verzweifelten Klammern an den Wunsch, möglichst lange jung und schlank auszusehen, hin zu einem neuen Körperbewusstsein.
„Sie hat sich mit 60 Jahren komplett neu erfunden“, sagt Ilka D’Alessandro über die Inflencerin, mit der sie daraufhin in einen Schriftwechsel trat. Fazit: „Es gibt ein Leben jenseits des Jugend-Kultes, eines voller Würde, Schönheit und Weisheit.“