Wer in der Seestadt den Namen Heuer hört, denkt an Bananen. Das war früher so, das ist heute so. Seinen Ruf als Spediteur für die krumme Frucht wird das Bremerhavener Logistikunternehmen auch 56 Jahre nach Firmengründung nicht los. Lotta Fechner, die Azubi-Betreuerin und Assistentin der Geschäftsleitung, kann davon ein Liedchen singen: „Wenn ich einen Bewerber zum Vorstellungsgespräch in den Betrieb einlade und sein Wissen über uns abklopfe, kommt nicht selten die Antwort: Ihr macht doch was mit Bananen“, sagt Fechner und lacht. „Falsch ist das nicht, es ist aber eben nur die halbe Wahrheit.“
Käse aus Südafrika, Fischöl aus Norwegen
Die andere Hälfte: Die frühere Fruchtspedition, die einen maßgeblichen Anteil daran hat, dass Bremerhaven zu den größten Umschlaghäfen für Bananen in Europa wurde, hat auf viele neue Produktbereiche umgestellt. In Heuers Lagerhallen auf der Columbusinsel warten Paletten mit südafrikanischem Käse, Säcke mit Zucker und Fässer voll Honig aus Südamerika darauf, per Lkw oder auf dem Gleis zu den Endkunden weitertransportiert zu werden. In den Hochregalen stapeln sich Spanplatten, Sperr- und Schnittholz aus China und Brasilien. „Holz macht heute den größten Anteil im Frachtsegment ‚General Cargo‘ von Heuer aus“, sagt Mit-Geschäftsführer und Prokurist Jan Zobel.

Heuers Lager im Hafen: Holz macht heute den größten Anteil im Frachtsegment „General Cargo“ von Heuer aus.
Foto: Arnd Hartmann
Auch der Umschlag und die Abwicklung von Fahrzeugen, Stahl und Papier gehören heute zum Portfolio. „Alle 14 Tage legt zudem ein Tankschiff mit Fischöl aus Norwegen an“, erläutert Zobel. „Das Öl wird vor Ort in spezielle Flexitanks umgepumpt und geht anschließend weiter nach Griechenland und in die Türkei.“ Der Bananenumschlag macht heute nur noch einen kleinen Anteil am Gesamtvolumen aus.
Plötzlich bekam Heuer Konkurrenz
Wie kam es zu dieser Wandlung - und warum? „Bis 2016 landeten jede Woche zwei Kühlschiffe mit Chiquita-Bananen an unseren Terminals im Hafen an“, erläutert Mit-Geschäftsführer Matthias Hasselder. „Dann aber wurden Bananen vermehrt in Containern verschickt und konnten dadurch auch in Häfen ohne eigene Fruchtterminals umgeschlagen werden.“ Heuer bekam plötzlich Konkurrenz. „Langfristig wurde es zu riskant, uns nur auf ein Geschäftsfeld zu konzentrieren“, sagt Hasselder. „Wir mussten uns breiter aufstellen und begannen von da an, unser Geschäft Stück für Stück auszuweiten.“

Spanplatten und andere Produkte aus Holz machen heute den größten Anteil am Frachtsegment aus.
Foto: Arnd Hartmann
Heute bietet Heuer neben dem Warenumschlag eine Vielzahl an Dienstleistungen rund um den seeseitigen Im- und Export an: „Wir kümmern uns um alles, was zu tun ist, wenn die Ware aus Übersee in Bremerhaven ankommt: Terminalabfertigung, Zoll- und Behördenabwicklung, Lagerung, Transport, Etikettierung, Kontrolle, Kommissionierung und vieles mehr“, sagt Matthias Hasselder. Für die Lagerung der Güter verfügt Heuer in Bremerhaven über eine Gesamtfläche von 115.000 Quadratmetern, darunter 8.000 Palettenstellplätze und 15 Klimaräume im Temperaturbereich von 0 bis 15 Grad. In Bremen kommen noch einmal 15.000 Quadratmeter Lagerfläche hinzu. Pro Jahr schlägt das Unternehmen 12.000 Container um. Nicht gerade ein kleiner Fisch also.
Nordschleusenbrücke sorgt für Wettbewerbsnachteil
Aber Heuer sieht sich seit geraumer Zeit mit einem erheblichen Wettbewerbsnachteil konfrontiert: Nach der Demontage der Nordschleusenbrücke im April 2021, die die Columbusinsel mit dem Hafengebiet verband und einen durchgehenden Warenverkehrsfluss gewährleistete, müssen die Lkw des Unternehmens Umwege fahren. Die provisorisch eingerichtete Verbindungsfähre ist aufgrund ihrer begrenzten Verfügbarkeit keine praktikable Lösung.

Nur noch selten macht Heuer „krumme Geschäfte“. Denn der Bananenumschlag macht nur noch einen kleinen Teil des Gesamtauftrages aus.
Foto: Arnd Hartmann
„Im Moment muss jeder Container, den wir per Lkw transportieren, zweimal beim Zoll gemeldet werden“, erläutert Prokurist Jan Zobel, „ein Mal bei der Ausfahrt aus dem Freihafen und ein Mal bei der Einfahrt. Das dauert natürlich seine Zeit, es entstehen zusätzliche Transportkosten - das ganze Jahr hindurch, jedes Jahr. Bis irgendwann eine neue Drehbrücke installiert wird. Die Unternehmen auf der anderen Seite des Freihafens haben diese Nachteile nicht.“
Heuer reagiert auf das Handicap freilich so, wie der Konzern schon immer auf Erschwernisse reagiert hat: mit Anpassung und Effizienz. „Wir werden unser Geschäft in Zukunft noch weiter umstellen und unsere Prozesse optimieren, um auf unerwartete Ereignisse flexibler reagieren zu können“, sagt Matthias Hasselder zuversichtlich. Autonomie stärken, Abhängigkeiten minimieren - das neue Erfolgsrezept ist das alte.