Faszinierend schön, so eine Ladung Rost. Im Mix mit Stahlblau und Goldgelb hat dieses Rotbraun enorme Strahlkraft. Wie das ganze Gelände da unten, vier Fuß-Minuten hinter meinem Haus. „Lehe-Backstage“: Ein krasser Ort in dieser aufgeschürften morbiden Intensität, mitten in der Idylle wilder, lebensgieriger Natur. Kommt mir vor wie eine Sollbruchstelle der Stadt: Gleich hinter der Hafenstraße stehst du jäh mit einem Fuß im Fluss, mit dem anderen in Ruinen. Wo die Geeste in Schlingerkurven mäandert und bei Ebbe nichts als speckige graubraune Schlamm-Wülste hinterlässt, blüht es zart darüber hin. Genau hier, an der Geestepromenade, sollten sich jetzt neue Wohnhäuser ans Ufer schmiegen, die ruinöse, aber geschützte Kistner-Tonnendachhalle wäre mitten im Umbau zum Kulturtreff... hätte, wäre, könnte, würde... Nun sprießen statt Neubauten aus struppiger Kistner-Brache Mohn und Wegerich, Klee und: Ginster! Mannshohe, honiggoldene Blüten, innen rot getupft, überwuchern den Rest eines ollen Werktors. Als blute sich der Rost des Tors ins Ginster-Herz. Malen möchte ich können. Auch diese skurrilen Typen, die am Ufer hocken, wie übrig aus der Nacht. Zwei - umringt von Buddeln - nicken mir zu. Der eine ruft: „He! Susi!“ Ich erstarre. Ende mit Still-Leben. Soweit sind wir aber noch nicht, will ich zurückrufen - da schnüffelt eine runde Hundeschnauze an meinem Fuß. Kulleraugenblick. „Wer bist denn du?“, geh ich in die Knie. Der Typ: „Susi is‘n Mops. Ganz ne Liebe, brauchste keine Angst haben.“ Wenn du wüsstest. Susis können furchterregend sein. Und sei es - vor Romantik.

Blühende Brache: Zwischen der Kistner-Ruine, der Geeste und dem neuen Uferpromenaden-Teilstück sprießt es im Mai und Juni idyllisch. Ein Stück herber Ex-Werft-Romantik mitten in der Großstadt.
Foto: Schwan