Debbie Bülau hat in ihrem Dorf Kutenholz bei Stade die Geschichte getöteter britischer Soldaten so vorbildlich aufgearbeitet, dass sie sogar einen persönlichen Dankesbrief der jüngst verstorbenen Queen Elisabeth II. erhielt - und das Fernsehen vor Ort war, als eine britische Delegation das Dorf besuchte. Ihr Verdienst ist es, dass auf vielen Friedhöfen inzwischen Geschenkstelen und Erinnerungstafeln an Kriegs- und NS-Opfer erinnern.
Stolperstein-Idee geht auf Künstler Demnig zurück

Debbie Bülau (links) und Lehrerin Anja Nölke freuen sich, dass sich die Schüler mit großem Engagement in die Recherche begeben.
Foto: Gehrke
Die 52-Jährige hat durch verwandtschaftliche Kontakte nun davon erfahren, dass Schüler des achten Jahrgangs des Gymnasiums Langen sich mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs in den Dörfern in der Stadt Geestland befassen wollen. Das Ziel: Auch in der Stadt Geestland könnte es am Ende ein „Stolperstein-Projekt“ geben, dass verstorbenen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und vom NS-Regime verfolgten Menschen eine Identität zurückgibt. Diese Messing-Stolpersteine wurden unter anderem schon in Bremerhaven und in der Gemeinde Beverstedt verlegt. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann.
„Arolsen Archives“ bieten Zugang zu Dokumenten

In Bremerhaven gibt es sie schon: Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus an der Spadener Straße. Foto Scheschonka
Foto: Lothar Scheschonka
Nach Absprache mit der Lehrerin Anja Nöle, besuchte Bülau nun eine Unterrichtseinheit im gesellschaftswissenschaftlichen Profil. Zuvor hatte sie sich mehrere Tage in die Recherche begeben. Durch die frei zugänglichen „Arolsen Archives“ gelangte sie an standesamtliche Urkunden, Friedhofsskizzen und weitere digitalisierte Originaldokumente aus der Zeit der NS-Herrschaft in Langen und in den umliegenden Dörfern wie Neuenwalde, Sievern und Imsum. Diese Dokumente diskutierte sie in der Aula der Schule mit den Schülern - schnell wurde deutlich, dass manch ein Dokument das Zeugnis schrecklicher Schicksale ist. Die jungen Menschen wollen sich nun mindestens bis zu den Sommerferien mit diesen Schicksalen beschäftigen und bei einigen weiter in die Tiefe gehen.
Bülau: „Tot ist nur, wer vergessen ist.“
„Die Schülerinnen und Schüler haben das selbst vorgeschlagen, sich damit zu beschäftigen. Sie sind unglaublich motiviert“, berichtet Lehrerin Anja Nölke. Debbie Bülau, die ihre Archiv-Arbeit unter anderem auch beim sozialen Netzwerk Instagram dokumentiert, ist unterdessen schwer begeistert, mit welchem Elan sich die jungen Menschen an die Arbeit machen. „Die Zeitzeugen werden immer weniger. Es ist unglaublich wichtig, dass sich junge Menschen mit dieser Zeit beschäftigen.“ Jeder solle wissen, dass es Krieg und Verfolgung nicht nur in den großen Städten, sondern auch bei jedem vor der Haustür gegeben habe. Es sei sehr wichtig, dass die Erinnerung aufrecht gehalten werde. „Was mir am Herzen liegt, dass die Opfer ihren Namen und ihre Identität zurück erhalten. Tot ist nur, wer vergessen ist.“
Bürger dürfen sich gerne bei der Schule melden
Die gelernte Erzieherin Bülau, die mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, ist über das Schreiben einer Dorfchronik zur Recherche über Kriegsopfer gekommen.
Zusammen mit den Schülern hat sie schon erste Spuren aufgenommen, die in mehrere Dörfer führen - in Imsum wollen sich die Schüler mit dem NS-Opfer Fritz Matul(l) näher beschäftigen. Die Schüler beugen sich über Tablets, sichten Dokumente, machen sich Notizen. Nach den Zeugnisferien soll es im zweiten Schulhalbjahr direkt mit der Recherche weitergehen. Lehrerin Nölke und Bülau rufen auch die Menschen in Geestland auf, ihnen bei der Recherche zu helfen. Wer Hinweise für das Stolperstein-Projekt geben kann, der kann sich gerne beim Gymnasium unter 04743/92260 oder unter sekretariat@gymnasium-langen.de melden.
„Wir als Stadt stehen dem Projekt positiv gegenüber und unterstützen gerne“, berichtet Merlin Hinkelmann, Sprecher der Stadt Geestland. Bülau berichtet, sie selbst komme auch gerne wieder nach Langen, wenn ihre Hilfe angefordert werde. „Spätestens beim Verlegen der Stolpersteine werde ich wieder dabei sein.“