Für die Langzeitregierungspartei SPD in Bremen kommt 2023 die Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Am 14. Mai wählt das kleinste Bundesland sein Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft. Bei der vergangenen Wahl 2019 verloren die Sozialdemokraten erstmals seit Gründung des Bundeslandes ihren Status als stärkste Partei an die CDU.
Die SPD blieb aber unter dem neuen Bürgermeister Andreas Bovenschulte an der Regierung, weil sie ihr Bündnis mit den Grünen um die Linkspartei erweiterte. Im Mai geht es auch darum, ob diese in Westdeutschland einmalige Koalition weiterregiert.
So klein der Zweistädte-Staat mit Bremen und Bremerhaven ist, politisch gibt es große Daueraufgaben. Der Schuldenberg ist hoch, der finanzielle Spielraum klein. Es gibt viele arme Menschen, die Arbeitslosigkeit ist die höchste in Deutschland.
Bremen hat ein schwaches Bildungssystem, aber eine kräftige Wirtschaft
Das Bildungssystem in Bremen bekommt meist schlechte Noten. Auf der Habenseite steht eine kräftige Wirtschaft. Dank einer gut organisierten Impfkampagne ist das Land glimpflich durch die Corona-Epidemie gekommen.
Die Landtagswahl in Niedersachsen im September 2022 wurde von den Großkrisen Ukraine-Krieg, Energiemangel und Teuerung überlagert. Das werde beim kleinen Nachbarn anders werden, erwartet der Politologe Lothar Probst.
„In Bremen werden Fragen der Landespolitik stärker in den Wahlkampf hineinspielen“, sagt der frühere Professor der Universität Bremen. Neben der Bildung sieht er Energie, Klimaschutz, Verkehr und Bauen als solche Themen. Dazu komme Innere Sicherheit, zum Beispiel das Problem der Drogenszene am Bremer Hauptbahnhof.
Quereinsteiger Meyer-Heder brachte CDU nach vorne
Bei der Bürgerschaftswahl 2019 lief in Bremen vieles anders als sonst. Der Software-Unternehmer Carsten Meyer-Heder brachte als Quereinsteiger mit einer unkonventionellen Kampagne die CDU nach vorn. Doch die Grünen wollten ein mögliches Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP nicht.
Der SPD-Wahlverlierer Carsten Sieling begann noch die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken; am Ende hieß der Bürgermeister und Senatspräsident aber Andreas Bovenschulte.
Probst hält es für wahrscheinlich, dass die SPD mit dem 57-jährigen Juristen als Spitzenkandidat wieder stärkste Partei wird. Bovenschulte habe die Pandemiepolitik seines Senats sehr auf sich zugeschnitten und sich mit vielen Medienauftritten auch bundesweit ins Gespräch gebracht, sagt er. „Die SPD geht insofern mit einem politischen Schwergewicht in die Wahl - anders als beim letzten Mal.“
Diese Punkte will Bovenschulte in den Mittelpunkt stellen
Bovenschulte will die klimafreundliche Umgestaltung der Wirtschaft, Jobs und den sozialen Zusammenhalt in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs stellen. „Wir brauchen eine starke Wirtschaft mit ausreichend guten Arbeitsplätzen, dann kommen wir mit der Armutsbekämpfung voran“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Bei der CDU ist Meyer-Heder zwar noch Landeschef, aber die undankbare Aufgabe als Herausforderer Bovenschultes hat Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff übernommen.
In der Hansestadt mit ihrer Seefahrer- und Kaufmannstradition hat der 54-Jährige einen eher ungewöhnlichen Beruf: Er ist Landwirt mit eigenem Bauernhof am Stadtrand. Ihm zur Seite steht die 26-Jährige CDU-Nachwuchshoffnung Wiebke Winter. Bei der FDP ist ihr Landeschef Thore Schäck Spitzenkandidat.
Die Grünen können den hohen Ansprüchen nicht gerecht werden
Die Bremer Grünen hatten sich 2019 in Sachen Klima, Städtebau und Verkehr viel vorgenommen. Sie haben aber nach Einschätzung Probsts „nicht unbedingt das geliefert, was sie versprochen haben“.
Verkehrssenatorin Maike Schaefer sorgte mit Verkehrsexperimenten in der Innenstadt für Unmut in der Stadtgesellschaft. Gleichzeitig steht sie unter dem Druck ihrer Basis, mehr durchzusetzen. Der Zwiespalt zeigte sich, als sie bei der Nominierung zur Spitzenkandidatin und bei der Bestätigung jeweils nur schwache Ergebnisse erhielt.
Sollten die Grünen schwächeln, könnten die Linken wieder zum Regieren gebraucht werden. Sie leiden unter der Zerrissenheit der Bundespartei; der Landesverband Bremen gilt aber als pragmatisch. Fragt man die Wirtschaft, hat Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt ihre Sache gut gemacht.
Sie habe sich sehr für die Bremer Luft -und Raumfahrtindustrie und die Wasserstoffwirtschaft eingesetzt, sagt Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht. Der Erfolg der Bremer Corona-Politik wird auch Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard gutgeschrieben.
Die Aussichten auf die Wahl am 14. Mai
Dann bleibt am 14. Mai also alles beim Alten - die SPD regiert mit ein oder zwei kleineren Partnern? „Es gibt eine gewisse politische Immobilität in Bremen, die damit zu tun hat, dass die SPD über so viele Jahrzehnte die regierende Partei ist“, sagt Probst.
Zwar habe die Partei es immer wieder verstanden, sich zu erneuern. Doch die Wähler könnten die Lust verlieren, überhaupt wählen zu gehen, sagt der Wissenschaftler. Das rechte Spektrum ist in der Bremischen Bürgerschaft mit der Alternative für Deutschland (AfD) und der Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW) vertreten.